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5 Dinge – KW 10 & 11/ 2023

Schon wieder im Zug getippt, das muss wirklich demnächst ein Ende haben.

  • Paris, qua Business-Trip. Die Stadt ist wirklich, wirklich schön und wirklich, wirklich nicht für Menschen gemacht. Meine Güte. Alles zerfällt vor sich hin, Treppen wohin man schaut, Verkehrsregeln sind mehr so vage Hinweise. Wenn ich mit Menschen über die Tage spreche, höre ich mich sagen, dass Paris seine Bewohner fordert, Disziplin und Hingabe erwartet. Dass man vielleicht darum den Parisern Arroganz unterstellt, weil sie das Überleben in dieser schönen, kühlen Diva als kontinuierlichen Erfolg mit sich tragen. Dass all die Croissants und Macaroons nicht zur Debatte stehen, wenn jeder Tag selbstverständlich 12-15Tausend Schritte hat.
  • Wie kalt ich Paris fand, wie ich viel deutlicher ich auch in anderen Großstädten außerhalb Süddeutschlands Wohnungslosigkeit wahrnehme, wohl wissend, dass es gerade auch hier in Problem ist. Es bildet sich dann ein Wutknäuel im Bauch. Darüber, dass es soweit kommen muss, dass Menschen Zelte am Straßenrand aufstellen. Aber auch darüber, dass ich genau weiß wie die Sheriffs in München dafür sorgen, dass es mir dort immer erst auf den zweiten Blick ausfällt. Ich schaue auf die Mietpreise, auf die miserable Lohnentwicklung, auf unsere absurden Diskussionen zur Grundsicherung und fühle mich den randalierenden Demonstranten in Paris plötzlich verbundener als ich dachte. Aber Banken retten, gaaaaanz wichtig.
  • Auf der anderen Seite: Worüber überbezahlte Nerds jetzt beim Abendessen reden - Kilowattstunden. Wie viele hat das Elektroauto, wie viele produziert die eigene Photovoltaik, was speist man ein, was braucht man selbst. Es ist alles sehr absurd danebenzusitzen und sich ein bisschen wie im Physik-Leistungskurs zu fühlen. Natürlich ist es gut und richtig, dass ein Leben ohne Benzin und Ölheizung jetzt auch ein bisschen Status-Symbol ist, dass die, die es sich leisten können, selbstverständlich damit anfangen. Aber es ruckelt auch wieder ein bisschen in meinem Kopf, weil es sollte niedrigschwelliger, schon länger normal sein. Wie viel Zeit wir verloren haben.
  • Nochmal, for those in the back: Der beste Smalltalk ist kein Smalltalk. Darum sind Internet-Menschen einfach speziell super. Die trifft man, fast schon spontan zum ersten Mal einfach so auf einen Kaffee und geht einfach mal die eigene innere Lage, die Weltlage, die Trauma-Lage und die Stadtteil-Lage durch, herrlich.
  • Die Bahn gratuliert mir zum frisch erklommenen Gold-Status und ich bin so, so unendlich müde. Ich entwickle schlimme Hotelzimmer-Routinen, gucke im Halbschlaf Serien (Shrinking: Sehr gut, You Staffel 4/Part 2: Um Himmelswillen, wer dachte das wäre eine gute Idee, Shadow&Bone: Awwww, Daisy Jones and the Six: Sehr ordentlich gemacht und the Riley Keough of it all natürlich fast schon spooky, ROY KENT IS BACK.) und merke, wie mein Hirn auf Autopilot schaltet. Es langt für Arbeit, für ein bisschen berufliche Interaktion, aber für weitere Impulse ist schlicht kein Platz mehr. Social Media ist ermüdend, Bücher sind ermüdend, Menschen sind ermüdend. Noch zwei Wochen bis zu einer Woche Urlaub und das wird für uns alle jetzt wirklich zäh.

Weiß nicht, warum der Algorithmus mich momentan mit Ms Jackson zuballert, aber warum eigentlich nicht: (Still slaps)

https://www.youtube.com/watch?v=-thq6sr0fKU
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5 Dinge- KW 8 & 9 / 2023

Es ist insofern praktisch gelaufen, dass in KW 8 alles und in KW 9 fast nix passiert ist, weil ich krank von der Dienstreise zurück kam. Jetzt gerade schreibe ich das hier im nächsten Zug fertig. Wie angekündigt ist gerade von Routine keine Rede.

  • Lizzo und die Wirkung, ich versuche kein Essay zu schreiben. 20. Februar, Hamburg, mit fantastischer Konzertbegleitung stand (!) ich also fast zwei Stunden in einer Arena und fühlte mich so, wie es anderen Leuten wohl auf Drogen geht. Weil abgesehen von toller Musik, grandioser Show mit sensationellen Tänzerinnen, weiblicher Band und smarter Inszenierung, ist die ganze Person Lizzo, ihr Erfolg, ihr Selbstbewusstsein immer noch ein Kulturschock. Oder, wie jemand hinter uns, Teil des sehr bunten, queeren, wilden Publikums meinte: "Wofür zahle ich meinem Therapeuten 200 Euro die Stunde, wenn es das hier gibt?". Ich hadere immer noch damit in Worte zu fassen, was es mit jemandem wie mir anstellt, wenn da diese imposante schwarze Frau vor 15.000 Leuten steht, darüber singt wie Cute sie ist (Ist sie. Meine Güte sah sie gut aus. All the flowers für ihr Team!) und auch für ein hautenges Glitzer-Outfit bejubelt wird. Wenn sie sich umdreht, twerkt und die Kamera geht auf ihren Hintern, explodiert die Halle. Eine dicke, schöne, strahlende Entertainerin, die auch verstanden hat, warum ihr Erfolg über Musik hinaus geht. An einer Stelle lässt sie die Lichter runternehmen und macht 10, fast 15 Minuten Crowd-Work. Sie pickt Reihen in der Arena und spricht Leute mit tollen Outfits an, liest die Schilder, sieht die Regenbogenfahne. Sie sieht uns und es ist in dem Moment keine Show, sondern Verbindung. (Nein, hier schneidet niemand Zwiebeln.) In Hamburg sagt sie, hat sie ein großes Banner mit "Black lives matter" gesehen und es ist echt, wenn sie erzählt wie sehr sie das berührt hat. SHE'S EVERYTHING AND SHE KNOWS IT. Es gibt auf dem aktuellen Album einen Song, von dem ich schon wusste, dass er mich live ruinieren würde. "Naked".

Welcome to my body, I know it's nice to meet it
Fantasies been written 'bout the beauty and the sweetness
Can I be discreet with you? will you keep all my secrets?
I just wanna lay it down and open up the deepness
All the conversations say I should feel a way
I don't care what people think or spend or sway, we can run away (yeah)

Let down my guard, undo my robe
I'm standing here, don't need no clothes

I'm naked
Love how you look at me naked
Come make this body feel sacred
I'm a big girl, can you take it? naked

"Naked" Lizzo, vom Album "Special"
  • In der Show steht Lizzo dann ganz vorne am Steg und der Scheinwerfer ist so eingestellt, dass man nicht sieht, ob sie überhaupt etwas anhat. Stattdessen werden Bilder auf ihren Körper projiziert. Formen, Farben, das Universum. Ich habe mir beim Konzert einen Moment genommen und mich umgesehen. All die Frauen, mit unterschiedlichsten Körpern, jede von uns mit einer Geschichte und dem Hadern dazu. Und dann dieses Lied, über einen der verletzlichsten Momente, die es gibt. Beim letzten Akkord steht auf ihrem Körper dann "My Body, my choice". (So. Viele. Zwiebeln.) Live-Musik hat mich immer schon ein bisschen geheilt, aber dieser Abend vibriert immer noch nach, seine Wirkung wandert durch meine Zellen, jedesmal wenn ich wieder über ein Video mit ihr stolpere.
  • So, äh, Themenwechsel. Uffz. Frau Kaltmamsell hatte vor kurzem gefragt: "Wovon leben Sie so?" . Was ich gerade hinsichtlich von Plänen spannend finde. Ich gehe ganz "normal" zur Arbeit als Projektmanagerin. Ich verdiene gut, was mir erlaubt Geld zur Seite zu legen, in ein Tagesgeldkonto für größere Ausgaben und in ein Portfolio mit Fonds-Anteilen. Die sollen irgendwann mal genug wert sein, dass ich nicht in die Altersarmut falle. Weil geerbt wird nix, im Gegenteil. Die Rücklagen meiner Eltern schmolzen dahin, als mein Vater pflegebedürftig wurde und ohne seine Witwenrente wiederum, wäre es bei meiner Mutter ziemlich knapp - schließlich hat sie während sie in den 80ern zwei Kinder bekommen hat, fast ein Jahrzehnt nicht gearbeitet, den Umstieg auf EDV quasi verpasst und auch danach nicht immer 40 Stunden gearbeitet. Ach Mist, jetzt wird es doch wieder ein Rant. Zurück zur Frage. Ich zahle zwar in die Rentenkasse ein, habe auch eine kleine private Zusatzversicherung dazu, aber von der gesetzlichen Rente erwarte ich als Jahrgang 1985, der laut Plan dann 2052 in Rente gehen darf, eigentlich nix mehr. Ich verdiene erst seit kurzem gut genug, um wirklich Rücklagen zu bilden und habe das große Privileg zu wissen, dass es die nächsten Jahre noch mehr wird. (Noch ersetzt KI keine komplette IT - Abteilung und eine Weile wird man uns noch als Dolmetscher Mensch-Maschine brauchen.) Ich habe keine Kinder oder Ehepartner und ich habe keine Pläne das zu ändern. Entsprechend bin ich - und auf eine Art ist das als Frau ein modernes Privileg - auf mich allein gestellt. Vielleicht hab ich irgendwann eine Katze, der ich alles vererben kann. Meine Kosten sind vergleichsweise niedrig, meine Miete treibt Münchnern die Tränen in die Augen, ich habe kein Auto - dafür lebe ich gerne sehr gut. Open End Frühstück, guter Wein, spontan jemanden einladen können - das ist mein kleiner Luxus, auf den ich nicht mehr verzichten will. Ich könnte frugaler leben, womöglich mehr als ein Drittel meines Gehalts zur Seite legen - aber wofür denn jetzt genau? Solange es noch Autos gibt, kann ich jederzeit von einem überfahren werden, also lasse ich nix aus.
  • Ich bin momentan viel unterwegs, praktischerweise hat mein AG mittlerweile in den meisten Städten ein eigenes Büro. Wie anders der Tag ist, wenn der Weg dorthin ein Spaziergang ist. Nix gegen das Pendeln (in seiner aktuellen hin- und wieder Variante), aber gerade auch, weil der AG seine Geschäftsstellen gerne ans Wasser legt, hat das großen Charme. In Kombination mit kleinen City-Hotels, die verstanden haben, dass Reisende wie ich mehr als Frühstücksbuffet und Zimmerreinigung brauchen, kann ich so ein kleines bisschen Reisetätigkeit mittlerweile mit mir ausmachen. (Nicht so viel wie momentan allerdings. Ich weiß noch nicht was da alles in der Planung kaputtgegangen ist.)
  • Noch besser wird das ganze rumgefahre dann, wenn man es mit dem Wiedersehen toller Menschen verbinden kann. Beim Lizzo-Konzert konnte ich zwei ganz fantastische Damen miteinander bekannt machen, später in Köln dann ein anderes Lieblingsgespann mal wieder sehen. Als jemand, der das mit Menschen eher schwierig findet, merke ich mittlerweile, wann solche Dinge für mich funktionieren - nämlich, wenn wir den Smalltalk weglassen. Das habe ich besonders in Köln gemerkt, wo es über Pasta und Wein um große, auch schwere Geschichten ging. Es hilft natürlich, wenn Leute erzählen können und Humor haben, aber ich verspüre ein großes Glück, wenn Menschen, die ich nicht oft sehe und auch auf Social Media nicht immer ganz mitbekomme, ihre echten Themen mit mir teilen, erzählen, was gerade wichtiges passiert. Dafür lohnt es sich dann zu wenig zu schlafen oder im Regen zu laufen. Das sind die Dinge, die ich mit mir trage und mich wissen lassen, dass ich doch ein bisschen Teil der Spezies bin.
  • Ausnahmsweise brauchen wir heute einen Punkt mehr und zwar für die 97. Ich bin ein Eishockey-Kind, aufgewachsen im Dunstkreis der legendären bayerischen Vereine, die vor langer, langer Zeit mal national den Sport beherrschten. An erster Stelle natürlich die Star Bulls Rosenheim, Landkreis-Mythos quasi. Eh schon durchgeschüttelt durch einen Verlust letztes Jahr, hat es jetzt noch einen dumpfen Schlag getan und Stürmer Mike Glemser verletzte sich beim Spiel gegen den SC Riessersee (auch so eine Legende) schwerstens. Es gibt, auch in der schützenden Eishockey-Ausrüstung immer noch die eine Stelle, den blöden Winkel aus dem großer Schaden angerichtet werden kann und nach wochenlangem Kampf, ist Glemser jetzt am Leben, wird aber gelähmt bleiben. Es ist womöglich die Erinnerung daran, wie schnell sich alles ändern kann, dass niemand unverwundbar ist, warum mich diese Geschichte so unfassbar rührt. Jedenfalls werde ich noch eine Weile mit der Spendenaktion des Vereins - 97 #beStrong - für die Kosten von Behandlung und Reha nerven.
  • Ich wollte eigentlich weiter ausholen, über den Wahnsinn des bayerischen Wahlkampfes, die eigenwillig ambivalente Wirkung einer Veranstaltung wie des Nockherberg und warum die volkstümisierung der CSU ihr auch als Satire verpackt immer wieder Stimmen einbringt, aber, um es mit Frau Schulze zu sagen: #Pimmelpolitik. (ich hab schon wieder vergessen, wie der Generalsekretär heißt.)
https://www.youtube.com/watch?v=g_u5cxSvwFE
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5 Dinge – KW 7 / 2023

Vorauseilende Reisemüdigkeit, is that a thing? Verbringe die nächsten 3 Wochen ungefähr 80 Stunden in Fernverkehrszügen, falls Sie also nichts mehr von mir hören, mal im Fundbüro fragen.

  • Beim Hotelfrühstück Kalender abgleichen, großzügigen Slot für gemeinsames Kaffeetrinken vereinbaren und es notfalls halt "Networking mit $Titel von $Firma" nennen. Adulting kann auch Spaß machen. Überhaupt, liebe Arbeitgeber: Wenn ihr uns überall arbeiten lasst, nehmen wir uns weniger frei, sondern vereinbaren Dinge halt. Konzert, Party, generelles Leute treffen heißt ja nicht, dass ich davor nicht arbeiten kann, sonst halt im Zug, im Cafe, im Hotel. It's mostly Emails anyway.
  • Ja dann halt nicht. Werfen wir also die Apps wieder an. (Gibt es Studien dazu, warum manche Männer lange und aggressiv flirten, um dann plötzlich doch eigentlich nichts gewollt zu haben meinen? Ist das so eine "der Hund fängt den Postboten und weiß dann nix damit anzufangen"-Sache? Kennt sich da jemand aus?) Sehr passend dazu mal wieder eine der Lieblings-Youtuberinnen : Just keep loving.
  • Mit Symptom A und B bei der Hausärztin gewesen. Sie legt mal wieder die Stirn in Falten "Frau Donnerhall, das passt nicht zu einer Diagnose und es sind ja sie, ich schick sie mal besser zu diversen Kollegen weiter und ein Chirurg sollte auch draufschauen." Dieser Körper ist eine Fehlkonstruktion, ich möchte da nachträglichen Rabatt bitte. (Keine Sorge, ist vermutlich ne Kleinigkeit, wo ich nur einmal mehr nicht in die klassische Beschreibung passe. Man kennt das mittlerweile.)
  • Da ist ein bisschen zu viel Rheinland-Präsenz in meinem Leben, denke ich, vor allem in diesen Tagen. *Karnevals-Tusch* Aschermittwoch fahre ich selbst nach Köln, mal sehen was noch steht und ob irgendjemand schon in der Lage ist, Termine wahrzunehmen. Ich mache das jetzt Kirta und Peter&Paul auch so, dass ich meinen Email-Responder was von Pflege lokalem Brauchtrums schreibe und nur im Notfall erreichbar bin.
  • Im nahen beruflichen Umfeld einen Fall von "ist das nur aufdringliches Flirten oder schon Stalking" und neben dem absoluten Horror auch die Feststellung: Mein AG ist zackig gewachsen und versucht sich um alles zu kümmern, aber ohne gute Vorgesetzte in diesem Fall, stünde die Kollegin halt etwas schutzlos und vor allem ohne eindeutige Ansprechperson da. Was, wenn es vom Vorgesetzten ausgeht oder innerhalb des Teams passiert? Aber gut, ist wieder ein neues Quartal, bringe ich halt unsere Gleichsetzungsbeauftragte mal wieder zum Weinen.
https://www.youtube.com/watch?v=1Zgfgisw7oY
OH GOTT ICH FREUE MICH SO AUF DIESES KONZERT