Wir müssen da jetzt doch mal wieder reden, sorry.
Einer der Gründe, warum ich so spät diagnostiziert wurde, war, dass ich sehr gut gelernt hatte, Situationen zu navigieren, die ich nur bedingt begreife. Ich kann die Dynamik einer Gruppe durch Humor so steuern, dass ich nicht unangenehm auffalle. Ich habe Tricks und Prozesse um im Berufsleben sicherzugehen, dass ich weiß was Menschen meinen, was sie brauchen oder ihre Prioritäten sind.
Dass ich im 1 zu 1, in der direkten Beziehung zu Menschen so ein Volltrottel bin, das habe ich halt auf meine Depressionen geschoben. Darauf, dass ich nicht liebenswert, nicht gut genug bin. Natürlich will keiner etwas mit mir zu tun haben, ich bin zu merkwürdig. Im Nachhinein eine selbsterfüllende Prophezeiung. Natürlich war ich depressiv, weil ich dauernd abgelehnt und gedemütigt wurde – was wiederum passiert ist, weil ich viele kleine Signale nicht gesehen habe und selbst nicht artikulieren konnte was mir helfen würde.
Aber die Sache mit dem Spektrum ist auch: Selbst, wenn man gelernt hat es zu artikulieren, man macht ja erst Recht Unannehmlichkeiten. Das ist Inklusion immer ein wenig, eine Unannehmlichkeit.
In diesen, sehr besonderen Zeiten, ist das dann eine extra Belastung. Alle sind so müde, so am Rande ihrer Kraft. Wo hört da die Inklusion auf und wo fängt es an einfach nur zu nerven? Vor allem, wie groß kann, darf der Kreis derer sein, die durch Rücksicht auf mich berührt werden? Weil ich einem Trigger aus dem Weg gehen will – darf das ein Grund sein, dass andere dem auch aus dem Weg gehen müssen? Es ist schwer genug, diese Dinge zu erklären, wenn alle unterschiedliche Alternativen haben, um quasi um mich herum zu organisieren, aber jetzt?
Es ist ein wenig derselbe Grund, warum ich immer sehr mit meiner bedingt körperlichen Behinderung gehadert habe. Man sieht es nicht gleich und ich kann die Dinge des täglichen Lebens erledigen, aber ab einer bestimmten Belastung, bei ganz konkreten Vorhaben, kann ich nicht dabei sein. Ich kann nicht mit Wandern, mit auf den Berg oder schnell noch rennen, um einen Anschluss zu bekommen. Das ist manchmal unpraktisch für Menschen, die mit mir Zeit verbringen möchten, aber sie können auch immer bewusst entscheiden, ob meine Gegenwart diese Einschränkung wert ist. Vor diese Wahl stelle ich Leute jedes Mal und niemand soll ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich nicht dabei sein kann. Das spannende ist, wenn ich sage, ich kann nicht mitkommen, weil mein Fuß das nicht mitmacht, fühlt sich zumindest soweit ich es weiß niemand genötigt oder beleidigt, wenn ich das äußere. Da muss halt einfach eine Entscheidung her. Es sagt auch niemand, dass ich es einfach mal probieren sollte, dass ich einfach lernen sollte so einen Berg zu bewältigen oder meinen Fuß so zu belasten, dass ich schneller laufen kann.
Natürlich ist es müßig einen Berg oder eine Strecke mit einer zwischenmenschlichen Situation zu verbringen, aber ich bin am Ende der Metaphern. Als Mensch auf dem Spektrum hinterlassen auch Erfahrungen bei mir andere, tiefere Spuren als bei neurotypischen Menschen. Ein paar Dinge davon kann man mit Therapie in den Griff bekommen. Die neuen Situationen, die Momente wo man nicht versteht was gerade passiert, das oft akut auftretende Gefühl komplett isoliert zu sein. Man lernt es ein bisschen zu bewältigen. Und man lernt, dass andere Menschen eine Hilfe sein können. Dass die meisten Leute es aushalten, wenn man artikuliert was für ein Problem man hat, dass es auch zumutbar ist, solange man sich nicht völlig im Timing oder im Ton vergreift (was vielen autistischen Personen und insbesondere mir trotzdem dauernd passiert.).
Aber auch diese Strategien haben ihre Grenzen. Diese Grenzen lassen sich sehr grob formuliert unter “Trauma” zusammenfassen. Sowohl in der Bewältigung, als auch in der Erklärung. Es ist ein ewiges Dilemma, für alle mit psychischen Kalamitäten. Einfach zu sagen “ich kann nicht”, “es geht nicht”, oder “das würde mir schaden” ist kaum jemanden zu transportieren ohne kalt, arrogant oder gleich manipulativ zu wirken. Aber dann zu erklären, das macht es oft nicht besser. “Ja, hi, ich kann nicht kommen,weil lass mich dir erzählen wie die Behandlung durch Person X mich nachhaltig traumatisiert hat und ich es deswegen auch digital nicht im selben Raum aushalte”, da ist Oversharing noch untertrieben. Es kann Menschen, die man mag, unter fürchterlichen Zugzwang setzen. So ein Teilen der eigenen Gefühlswelt kann außerdem auch andere triggern oder den Eindruck einer Kampagne erwecken.
Und das galt alles schon bevor Corona an unsere Empathie-Konserven gegangen ist.
Die Guten versuchen trotzdem ihr Bestes, um zu verstehen, aber spätestens, wenn sich herausstellt, dass man hier an einer Situation scheitert, die viele neurotypische Menschen irgendwie lernen auszuhalten, wird es wieder kompliziert.
Es ist bis heute für mich gleichermaßen das treffendste wie auch das schlimmste diagnostische Symptom: Ich kann keine Distanz zu meinem Trauma aufbauen. Es gibt Dinge, Menschen und Situationen die mich nach Jahren oder auch Jahrzehnten binnen eines Moments in eine wimmernde, sich komplett wertlos fühlende Person verwandeln. Ich weiß, was diese Sachen gemeinsam haben, ich verstehe, warum es passiert – aber ich kann es nicht abstellen. Weil, und hier möchte ich dem Drehbuchautor meines Lebens für seine kaputte Ironie den Halt umdrehen – es sind alles Geschichten, die kein Ende bekommen haben. Die darauf hinausliefen, dass ich eine Umgebung verlassen, mich von Menschen verabschieden musste. Weil die andere Seite sich in keinem der Fälle mit mir auseinandersetzen wollte. Diese Art der Herabsetzung, die für mich deutlich mehr als Ablehnung ist, die öffnet einen tiefen Schacht in mir. Da wo es dunkel, kalt und allein ist. Wo ich der Freak bin, der nichtmal mehr ein letztes Wort verdient hat. Der dankbar sein sollte überhaupt kurz dabei gewesen sein zu dürfen. Ein bisschen. Solange ich nicht unangenehm auffalle, solange ich nicht darauf bestehe als Mensch gesehen zu werden.
Now, I will admit, the– the last part of the show there, I will be much more likable than I am in the beginning. Borderline adorable. Now, you’re probably wondering why wouldn’t I start with my best foot forward, adorable guns a-blazing? Why wouldn’t I do that? Why would I start off being a bit unlikable? Because this is a show about autism. And people with autism rarely make a good first impression. And most people tend to write us off because of that.
Hannah gadsby // Douglas
Das letzte Mal, dass mir so eine Sache passiert ist, habe ich all meine Kraft zusammen genommen und nicht alle damit assoziierten Menschen, alle Gelegenheiten und guten Dinge zusammen mit der auslösenden Person aus meinem Leben gestrichen. Es waren auch zu viele. Ich hätte so viel verloren. Ich habe viel verloren, trotzdem. Aber, hier sieht man wieder den Unterschied zwischen dem, was Therapie kann und was es nicht kann, ich komme langsam damit zurecht. Dass die Person, die mich so behandelt hat bei vielen Menschen die ich schätze nach wie vor hoch im Kurs steht – ich atme, ich nehme Abstand, ich wechsle das Thema. It’s called copying.
Die Linie, die ich ziehe, ist die direkte Konfrontation. Nicht am selben Tisch, nicht im selben Chat. Nicht, solange es keine Klärung gibt. Und die wird es nicht geben. (Chronische Midlife-Crisis mit dauerhafter Rückgrat-Schädigung, sehr schmerzhaft für alle Beteiligten.) Bis heute meinen es viele wohl gut, wenn sie denken es sollte sich ein Weg finden uns trotzdem “unter einen Hut” zu bekommen. Weil ich doch langsam wirklich darüber hinweg sein sollte. Weil man sich ja gegenseitig ignorieren kann. (WHAT) Weil mir das die anderen doch auch wert sein sollten. (Nicht, dass sie es der anderen Person wert sind, but I DIGRESS.)
Womit ich wieder am Anfang stehe. Ich will niemand anderen mit meinem Trauma, meinem Leidensdruck (It’s a clinical term, look it up) belasten, aber ohne Kontext wirke ich natürlich wie die allerletzte Schnepfe, die versucht Druck auszuüben und Menschen mit dem Rücken zur Wand vor eine Entscheidung zu stellen. Die andere Person oder ich. Dass es meine Form von Rücksichtnahme ist, mich aus der Situation zu ziehen, bevor ich die Gelegenheit oder meine Psyche ruiniere – das ergibt, so viel lerne ich zu verstehen – maximal aus meiner Perspektive Sinn.
Aber wenn jemand unbedingt auf einen Berg klettern will und ich kann nicht mit, dann ist das doch auch in Ordnung.
Diese zusätzliche Ebene, diese Traurigkeit, dass meine Fehleinschätzungen und deren Konsequenzen jetzt andere belasten, sie bekommt in diesen Tagen eine Schärfe, mit der ich nicht umgehen kann. Ich stehe für einen erwachsenen Menschen erstaunlich hilflos vor der Situation, in der ich niemanden auch nur ein bisschen mehr Energie als sonst kosten will und das aber tue, egal wie ich mich entscheide. Außer, ich riskiere meine eigene Balance. An solchen dunklen Tagen habe ich Angst, dass der hedonistische Backlash nach der Pandemie auch ein Rückschritt für die Behandlung von Menschen auf dem Spektrum, mit anderen Behinderungen oder psychischen Problemen bedeuten kann.
Feier doch mit uns, was hält dich ab, jetzt, wo der Virus (vorerst) in die Flucht geschlagen ist? Und ich werde keine gute Antwort haben. Es ist seltsam, aber auch typisch jetzt schon um die Dinge zu trauern, auf die ich in der Danach-Welt aus Davor-Gründen werde verzichten müssen. Vielleicht, auf eine kaputte Art, raubt diese Konstante der Pandemie ihren langen Schatten. Es wird ein danach geben. Und auch dann noch gute und schlechte und schwierige Tage.
So this is a show that rewards people who persevere. Who go beyond their discomfort just to see what’s on the other side of the spectrum. For those people, this show does work like a romantic comedy. Theoretically, ’cause theories are sexy. Now, that’s it. That’s the show. That’s everything you can expect. Expectations have been set
hannah gadsby // douglas
Warum auch immer das hier seit Tage in meinem Kopf läuft.
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Liebe Isabella, via Twitter bin ich gestern zufällig über Ihr Blog gestolpert. Ich kenne Sie nicht näher, aber beim Lesen dieses Beitrags war ich ganz schön bestürzt, deswegen wollte ich Ihnen ein paar Zeilen dalassen, damit hoffentlich folgendes bei Ihnen ankommt: es sieht Sie jemand in Ihrem kräftezehrenden Kampf.
Sie berichten über Folgen unverarbeiteten Traumas, und aus eigener Erfahrung kann ich gut nachvollziehen was für Nichtbetroffene oft so schwer begreifbar ist: mit was für einem Wumms einen die Flutwelle an Emotionen, Bildern und körperlichen Empfindungen ohne Vorwarnung wegfegen kann, welche immensen Verrenkungen man in seinem Alltag vollzieht um vermeintliche Auslöser zu vermeiden, und wie wacklig, eng und einsam die eigene Welt dadurch irgendwann wird. Und dann sitzt man da in seinem kunstvoll gezimmerten Versteck und wünscht sich doch eigentlich nichts sehnlicher, als dass einen dort jemand finden würde.
Was mir persönlich am unverständlichsten war und enorme Verzweiflung ausgelöst hat, ist, wie wenig mein üblicher Modus des Analysierens und Verstehen-Wollens bei der Bewältigung eines Traumas hilft. Da Traumaenergie im Körper und insbesondere im Nervensystem gebunden ist, zeigt sie sich von einem rein intellektuellen Zugang üblicherweise herzlich unbeeindruckt. Die Mechanismen kognitiv zu verstehen bringt meist nicht viel, im Gegenteil, man schämt sich eher noch mehr, weil man ja sieht, wie wenig von dem, was man verstandesmäßig eigentlich weiß, am Ende auch umsetzen kann. Der Körper spielt dabei einfach nicht mit und scheint seine eigene Agenda zu haben, deren Intelligenz anfänglich absolut unverständlich und schier zur Verzweiflung treibend ist.
Sie erwähnten Therapie und deren gemischte Erfolge. Falls es sich dabei um eine “Rede”-Therapie handeln sollte, würde ich Ihnen gerne die Anregung geben, sich aufgrund der o.g. Gründe einmal nach einer körper- und bindungsorientierten Therapiemethode umzuschauen. Meiner Erfahrung nach funktioniert das auch erstaunlich gut über Skype oder ähnliche Tools, falls kein Therapeut in der Nähe aufzutreiben ist. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
hm. Da ist (vermutlich) ein Typo im Text, der Sinn entstellt. An einer wichtigen Stelle. Nur deshalb merke ich es an. Coping/Copying. Ich glaube es sollte Coping sein