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Anna and the Truthtellers

Ich liebe das Internet. Für die Rettung, die es mir während der Adoleszenz war. Für die Dinge, die ich dort gelernt habe und immer noch lerne. Für die Menschen, die ich hier gefunden habe. Vielleicht am allermeisten für die Nachweise davon, dass einem manche Dinge nicht exklusiv passieren. Trotz allem, liebe ich das Internet sogar, obwohl diese Dinge manchmal alle zusammengehören. Das wundervolle Fräulein Read On hat die traurige Geschichte vom J. und von Anna aufgeschrieben und damit gefühlt das ganze Internet an einer sehr empfindlichen Stelle getroffen. Mich auch. Auf ganz furchtbare Weise war es beruhigend zu lesen, dass der J. nie ganz darüber hinweg gekommen ist. Dass es auch...normalen Menschen passiert, dass sie nicht loslassen können, dass die Fragen bleiben. Auch, weil oft am Ende diejenigen die gehen, die den Kontakt abbrechen die Protagonisten der Geschichte sind, wenn sie erzählt wird. Nicht diejenigen, die zurückbleiben und vielleicht Narben davon getragen haben. Klar, aufregender sind die Menschen, die sich "trauen" einfach alles abzubrechen und Menschen aus ihrem Leben zu verbannen. Die, auf die eine oder andere Art, weiterziehen. Als wäre Stille eine Leistung. Als wäre das Ausbleiben einer Erklärung spannend, interessant. Ich bin nicht gut mit Menschen, das habe ich mittlerweile schriftlich. Trotz intensiver Beobachtung verstehe ich sie die meiste Zeit über nur bedingt. Schon gar keine Nuancen, Andeutungen, Zaunpfähle. Darum bin ich ehrlich statt nett. Direkt statt höflich. Immer in der Hoffnung, dass es mein gegenüber dazu ermuntert im Zweifel auch unangenehme Dinge sagen zu können anstatt zu schweigen. Lassen Sie es mich so sagen: Es funktioniert so mittelgut. Vor einer Anna schützt es am Ende nicht. Es macht, wenn es dann passiert, noch eine hübsche neue Baustelle auf. Weil so sehr man sich fragt was in der anderen Person vorgegangen sein mag, an irgendeinem Punkt fragt man sich noch viel mehr was man womöglich selbst falsch gemacht hat. Vielleicht bin ich besonders empfindlich weil meine "Annas" bevorzugt dann auf Distanz gegangen sind, wenn es mir nicht besonders gut ging. Womöglich gerade weil ich auch noch die Unverschämtheit hatte darüber zu sprechen - mit der digitalen Allgemeinheit oder direkt mit der Person. Womit wir zu einem Punkt kommen müssen, der anstrengend werden könnte. Naja, zumindest für mich. (Einschub: Es ist auch der Bereich, wo meine Geschichte nichts mehr wirklich mit Anna und dem J. zu tun hat. Es ist der Sonderfall Bella, der jetzt kommt.) Weil einerseits ist es gut, dass es zumindest ein bisschen einfacher geworden ist, über die eigenen psychologischen Instabilitäten zu sprechen. Es hilft, die fellow crazies zu treffen. Es hilft zu begreifen, dass man ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft und trotzdem krank sein kann. Es hilft auch für sich selbst zu reflektieren, dass man nicht davon stirbt diese Schwäche zuzugeben. Ich schreibe seit annähernd 20 Jahren ins Internet und immer wieder auch über die dunklen Schatten in meinem Leben. Die oft überraschenden Reaktionen darauf waren immer auch Teil des Heilungsprozess. Da war Empathie, Besorgnis und manchmal auch einfach nur ein Angebot, obwohl Menschen kaum wussten, wie sie richtig reagieren sollten. Thing is - diese Art von Validierung funktionierte damals wie heute genauso gut wie Likes, Herzchen oder Emojis. Meine Wahrnehmung ist verzerrt, weil mir das Internet überwiegend gesagt hat, dass meine Echokammer mich inklusive aller meiner Probleme aushält. Umso schockierter, gekränkter und verwirrter reagiere ich, wenn das bei Menschen nicht mehr der Fall ist. Vermutlich habe ich gelernt Hinweise darauf zu ignorieren und aufgehört darüber nachzudenken was es mit jemandem macht, wenn er mit einer Person mitten in einer depressiven Episode konfrontiert ist. Normalerweise stehe ich der Triggerwarning-Kultur in den sozialen Netzwerken ein bisschen kritisch gegenüber. Mir ist klar, dass es Bilder und Szenarien gibt, die Menschen an Trauma oder Ängste erinnern und es sollte Optionen geben, diese Dinge zumindest zu reduzieren. Aber das völlige Ausblenden sollte vielleicht gar nicht möglich sein. Wir sollten uns manchmal mit Dingen auseinandersetzen müssen. Wobei das nicht die Debatte ist, die ich haben will. Meine Frage ist: Was ist, wenn ich der Trigger bin? Wenn ich nicht irgendetwas falsch gemacht habe, nicht zu viel oder nicht gut genug war, sondern einfach nur ich - mit der ganzen Dunkelheit? Was, wenn diese Kombination bei der anderen Person dazu geführt hat, dass die Worte ihren Weg erst gar nicht mehr finden konnten? Und in Konsequenz auch - was, wenn nicht nur meine Offenheit zum Thema psychische Erkrankungen bei anderen die umgekehrte Wirkung hat? Auf die Gefahr hin wie jemand zu klingen der auch nach Jahren noch verzweifelt nach Erklärungen sucht - ich frage mich seit einer Weile inwiefern ich in Kauf nehme Menschen derart vor den Kopf zu stoßen, um auch weiterhin vom Internet aufgefangen zu werden. Antwort habe ich noch keine. Ich will keine Beisshemmung entwickeln, nicht aufhören über Dinge zu sprechen, die unbedingt bei Licht betrachtet werden sollten. Aber wenn ich mitbekomme, dass meine Dunkelheit zu Überforderung bei anderen führt, dass sie nicht mehr recht wissen ob man mich nun anders behandeln muss oder ich am Ende halt einfach gemutet werde - dann macht diese erneute Isolierung nichts besser. Im Gegenteil, es bestätigt mich in all meinen finsteren Szenarien. Dass ich nur akzeptiert und gesehen werde, wenn ich unkompliziert, unterhaltsam und aufmerksam für die Bedürfnisse von anderen bin. "Du solltest dankbar sein, dass sich jemand mit dir abgibt" - aber als verinnerlichtes Mantra. Anders als sonst, habe ich in dieser dunklen Episode nicht nur mehr Zuspruch erfahren, sondern gab es auch Menschen die einen deutlichen Schritt auf mich zugemacht haben. Das ist bei meinem fragilen Ego mehr oder minder ein Erdbeben. Aber weil wir alle gerne einen guten Verriss lesen und Künstler sich ihre negativen Kritiken merken, klopf in meinem Kopf ein kleiner Hammer an den Ereignissen und Menschen herum, die mit Distanz oder Widerstand auf mich reagiert haben. Auch und gerade weil ich mit meinen Defiziten und Diagnosen (so nenne ich das Konzeptalbum) offensiv umgehe. Zumindest ist das die naheliegende Erklärung, weil - und damit sind wir wieder bei Anna - man bekommt ja sonst keine. being honest is being kind Ich bin durch meine radikale Ehrlichkeit oft unangenehm aufgefallen. Aber ich glaube auch, dass sich meinetwegen noch nie jemanden fragen musste, woran er ist. Ich denke an den J. aus der Geschichte und die tiefen, tiefen Narben die er wohl mit sich rumträgt. Weil so einig sich alle um ihm herum sind, dass Anna egoistisch und grausam war, ein Teil von ihm wird sich immer fragen, warum er nicht genug sein konnte. Vielleicht fragt er sich, ob das was an ihm am hellsten geleuchtet hat, für sie am Ende zu grell war. Und das, ist der wahre Preis dieser individuellen Freiheit sich solchen Konflikten nicht zu stellen. Es bohrt ein Messer in Menschen, genau an der Stelle, an der sie am eigenwilligsten sind. Es ist ein Angriff auf die Eigenschaften, die uns definieren. Man kann jetzt sagen, dass es doch keinen Unterschied macht, ob man gesagt bekommt, dass man zu anstrengend ist oder jemand einfach so geht - aber ich behaupte, dass es den Unterschied gibt. Der hat nicht nur etwas mit grundsätzlichem Respekt gegenüber einem Menschen zu tun, sondern kann auch Kontext geben. Vielleicht gibt es einen guten Grund warum ein Mensch so reagiert. Warum man ein Trigger geworden ist. Ob Mensch oder Bild - je länger ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich, dass wir auch mit denen, die etwas in uns anrühren, uns vielleicht verstören in Dialog treten sollten. Im Stillen. Oder direkt. Aber selbst wenn es noch so anstrengend ist und uns aufreibt - aus Reibung entsteht Wärme. Dort, wo einst jemand war der ohne ein Wort gegangen ist, bleibt eine Stelle kalt. Es langt jetzt auch mit der Kälte, so insgesamt. https://www.youtube.com/watch?v=MoGnA-uLROo

Fragen 551-575

551. Welchen Wochenendtrip oder welche Kurzreise hast du gerade geplant? Innerdeutsch dieses Jahr noch einige, international bis jetzt nur Mailand im Juli. Langes Wochenende, Konzert, Gelato. So muss das! 552. Bist du ein Landmensch oder ein Stadtmensch? You can take the girl out of the bavarian countryside but not the countryside out of the girl 553. Mit welcher Person, die du nicht persönlich kennst, fühlst du dich verbunden? Ich fühl mich manchmal kaum verbunden mit denen, die ich kenne… puh. 554. Was gibt dir in schweren Zeiten Halt? Nix. Ich neige dazu mich umnieten zu lassen. 555. Bist du gut zu dir selbst? Manchmal. Öfter. Es wird. 556. Was bedeutet Freundschaft für dich? Wir haben’s aber heute mit den Minenfeldern. Es gibt diese Idee von Freundschaft in meinem Kopf, vielleicht auch als Abbild dessen was ich bei anderen beobachte – und manchmal wünsche ich mir das für mich. Aber ich weiß, dass das sowohl meinetwegen als auch wegen der Sorte Menschen mit der ich mich anfreunde so nicht geht. Wir sind alle nicht robust genug dafür. Heute bin ich einfach dankbar dafür, dass ich für annähernd alles was mir widerfahren kann jemanden habe, dem ich es erzählen kann und zumindest eine Antwort bekommen werde. 557. Wer hat dich in letzter Zeit überrascht? Obacht: Ich! Aus Untiefen, die ich selbst vergessen hatte, hole ich gerade Motivation, Wahnsinn und Ambitionen hervor. Sehr überraschend. 558. Traust du dich, Fragen zu stellen? Die eigentliche Frage ist: Traust du dich auch mal eine Frage nicht zu stellen? Was mir zugegebenermaßen schwer fällt. 559. Hast du Dinge vorrätig, die du selber nie isst oder trinkst? Mir fallen eigentlich keine ein. 560. Setzt du dir Regeln, die du dir selber ausgedacht hast? Ist das wieder eine von den Sachen von denen ich denke, dass alle sie tun und am Ende hab ich mir da wieder… Nevermind. 561. Bedauerst du etwas? Einiges. Aber hauptsächlich Dinge, die ich nicht getan habe. 562. Welchen Zeichentrickfilm magst du am liebsten? Dschungelbuch forever! (Erster Kinofilm, beste Musik, bestes alles.) 563. Was würdest du deinem Kind gern fürs Leben mitgeben? Angst lohnt sich seltener als man denkt. 564. Welches Buch hast du in letzter Zeit mit einem tiefen Seufzer zugeklappt? Es ist schon wieder ein paar Wochen her, aber „Darkness Visible“ von William Styron. Worte für etwas, das eigentlich unbeschreibbar ist. 565. Würdest du gern wieder in einer Zeit ohne Internet leben? ARE YOU SERIOUS 566. Wann hast du zuletzt ein Bild ausgemalt? Das war mir ja schon als Kind zu doof. Wirklich nicht. 567. Wer war deine Jugendliebe? Zählen auch unerwiderte? Blöde Frage, andere hatte ich ja kaum. Dann vermutlich der F. Der war der große Bruder eines Klassenkameraden und ich fand seine 16jährige Schweigsamkeit „mysteriös“ und sein seltsames Verhalten „cool“. Er war natürlich auch bloß maximal pubertär und meines Wissens in seine beste Freundin verknallt. Aber er hat halt Schlagzeug in der Schulband gespielt, was soll man machen. 568. Für wen hast du zuletzt Luftballons aufgeblasen? Oida. Jugendliebe, Bilder ausmalen, jetzt Ballons. Ich konnte mit 12 kaum erwarten Mitte 30 zu sein, leave me be. 569. Wie würden andere Personen deine Wohnung beschreiben? Dafür müsste ich sie ja reinlassen. 570. Mit wem stöberst du am liebsten in Erinnerungen? Mit dem Internet. 571. Wie viele Stunden am Tag verbringst du vor dem Computer? An Arbeitstagen 9-11, an freien Tagen kann es alles zwischen 2-12 sein. (Netflix, du alter Zeitfresser.) 572. Verschweigst du deinem Partner manchmal Sachen, die du gekauft hast? Ich bin ein Fan von Diskretion und Geheimnissen. 573. Wen oder was benutzt du als Ausrede, um etwas nicht machen zu müssen? Ich bin da eventuell simpel gestrickt, aber ein „ich will jetzt nicht“ besonders in Kombination mit „ich muss das gar nicht (jetzt) machen“ langt oft völlig. 574. Gehst du gern ins Kino? Immer, wenn ich es hin schaffe, freue ich mich eigentlich sehr, aber dafür gehe ich eigentlich zu selten. 575. Wie grosszügig bist du? In Bezug auf? Ich beschenke andere gern und reichlich – auch weil ich sonst nicht zu großen emotionalen Gesten/Worten neige. Wenn es passt und mir danach ist, lade ich eine Begleitung auch mal ein. Und beim Trinkgeld runde ich sowieso auf.
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“Feiern kannst du aber fei”

Es war kurz vor Mitternacht, als ich mir endlich einen Moment nahm, um mich einfach nur umzuschauen und diesen Moment möglichst exakt festzuhalten. Ein ganzer Haufen Menschen, gut angezogen, lächelnd, sich amüsierend und, tatsächlich, meinetwegen da. Ganz in echt. Wirklich passiert. Dämonen hin, Schatten her, ich hatte es irgendwie durchgezogen. Das sollte ich mir merken.

It was a mess of good years

"It was a very good year" Frank Sinatra

Die Idee dazu meinen Schnapszahl-Geburtstag zu feiern, den hatte ich noch bevor Ende letzen Jahres die Dinge äußerlich wie innerlich zu bröckeln und zu stürzen begannen. Vielleicht der einzige Grund, warum ich die Sache stur wie ich bin, angekündigt und eingehalten habe. Projekt #Donn33rbella was a go.

Und natürlich, es ist ein Drahtseilakt. Im Frühjahr, als ich zwischenzeitlich dachte es wäre unmöglich mit nur 6 Monaten Vorlaufzeit in München eine bezahlbare, buchbare Location zu finden. (Ich fand sie.) Oder danach, als ich mich zum ersten Mal mit so etwas wie einer Gästeliste und einem möglichst unkomplizierten Einladungs-Mechanismus auseinandersetzen musste. Schon da wurde mir wieder klar, warum ich über 20 Jahre keinen Geburtstag gefeiert hatte, im Gegenteil.

Oder in den letzten Wochen vor der Feier, als plötzlich doch noch einige Absagen eintrudelten.  Ich merkte, wie empfindlich ich immer noch bei solchen Sachen bin, gerade momentan. Wie persönlich ich alles nehme, gleichermaßen verstehend, dass ich den Aufwand nicht wert bin und andererseits empört weil einige Begründungen...nun, lassen wir das. Umso fantastischer waren die Zusagen, die Vorfreude, die Frage nach dem Dress-Code. (Ich kann das nur empfehlen. Menschen nahezulegen, dass sie sich bitte in den feinen Zwirn werfen führt zu spannenden Ergebnissen und verleiht dem Abend ein gewisses Flair. So gut sahen die alle aus! So gut, ich hab sogar über ein Eagles-Trikot hinweg gesehen.)

Mir wurde klar was für eine eklektische, faszinierende Gruppe von Menschen ich in meinem Leben gefunden hatte. Das bewahrheitete sich spätestens in den unerwarteten Gesprächsrunden und ausgetauschten Telefonnummern. Manche hatte ich lange nicht mehr gesehen, einige hatten weite Wege auf sich genommen. 

Jeder einzelne ein Schlag ins Kontor des schwarzen Schlamms von dem ich so oft umzingelt bin. Das vielleicht beste Geschenk, das ich mir machen konnte. 

Eines mit Nachwirkung. Mit Tage später ausgepackten Geschenken, (Books and Booze - Titel meiner Autobiographie.) hinreißenden Glückwunschkarten und dem Zitat, das in der Überschrift steht. Weil wenn es einen Satz gibt, mit dem ich nicht gerechnet habe, dann mit dem. 

Wobei, die Familie findet ja, dass das Gastgeberinnen-Dasein in glamouröser Umgebung vollständig dem Erbgut einer gewissen Seite der Familie entspricht. Abendkleid tragen, Klunker aussuchen, Hof halten. (Wer hier länger mitliest, weiß, dass man mir mal wieder großmütterliche Tendenzen unterstellt.)

Wofür so eine Feier auch gut ist: Die übliche Nabelschau rund ums Wiegenfest abzuwürgen. Darum an dieser Stelle keine tieferen Erkenntnisse zum vor einer Woche erreichten Lebensalter oder ein erneutes Wiederkäuen des verkorksten letzten Jahres. Stattdessen: Mehr Albernheit, mehr Glitzer, mehr Gelegenheiten. Ich war ein todtrauriger Teenager und habe meine 20er damit verbracht ganz langsam aus einer selbstgegrabenen Höhle herauszuwachsen. Zurückrudern gilt nicht, da müssen wir jetzt alle durch. Dress Code and all. 

P.S.: Pro-Tipp für Menschen, die nun eventuell auch feiern wollen und dabei gegebenenfalls alkoholbedingt den Überblick verlieren könnten - pick a designated gift-person. Ernsthaft, das Transportieren, spätere Zuordnen und entsprechende Freuen wird sonst... kompliziert. Und sei es, weil sie immer noch nicht so ganz sicher wissen, von wem der 1200 Seiten Paul Auster Roman nun stammt. Nächstes Mal habe ich Klebepunkte und meine Etikettiermaschine dabei. 

Fragen 126-150 (von hier)

126. Was kaufst du für deine letzten zehn Euro

Ein Notizbuch und ein Stück Schokolade.

127. Verliebst du dich schnell?

Leider nein.

128. Woran denkst du, bevor du einschläfst?

An alles was mir fehlt.

129. Welcher Tag der Woche ist dein Lieblingstag?

Sonntag. Alles ist ein bisschen leerer, ein bisschen langsamer, weil es nichts zu kaufen, zu erledigen gibt.

130. Was würdest du als deinen grössten Erfolg bezeichnen?

Ich bin immer noch da.

131. Mit welcher berühmten Person würdest du gerne einmal einen Tag verbringen?

Tot oder lebendig? Tot: Dorothy Parker, gern auch zu ihrer Zeit. Im Algonquin sitzen, trinken, debattieren, uns die Pointen zuwerfen. (gefolgt von Roger Willemsen und Prince) Lebendig: Christine Lagarde. Wahnsinns-Frau, unfassbarer Job. Die war mal Synchronschwimmerin! (Danach Benjamin von Stuckrad-Barre und Niko Kovac. )

132. Warst du schon einmal in eine (unerreichbare) berühmte Person verliebt?

Ich kann ins Schwärmen geraten (siehe Willemsen, Stuckrad-Barre), aber verlieben, nein.

133. Was ist dein Traumberuf?

Ich glaube langsam, dass ich jemand bin dem es nicht unbedingt in erster Linie darum geht was er tut, sondern wie. Etwas mit viel Freiheit, dann darf es auch sehr viel Arbeit sein. Ein Unternehmen bauen, einen Laden führen, Schreiben – im Zweifel auch technische Dokumentationen. Lasst mich einfach nur machen. 

134. Fällt es dir leicht, um Hilfe zu bitten?

Um was?

135. Was kannst du nicht wegwerfen?

Bücher, Geschenke, bestimmte Erinnerungsstücke.

136. Welche Seite im Internet besuchst du täglich?

Mit oder ohne App? Wenn Apps nicht zählen, gibt es keine tägliche. Ansonsten: Twitter, Gmail, Inoreader.

137. Sind die besten Dinge im Leben gratis?

Dinge? Nein. Momente, ja.

138. Hast du schon mal was gestohlen?

Vermutlich? Aber tendenziell war ich da sehr sehr jung.

139. Was kochst du, wenn du Gäste hast?

Gegrillte Feigen mit Mascarpone gefüllt und Speck umwickelt, Risotto mit Trauben und Walnüssen, vielleicht geschmortes Lamm dazu  und dann entweder französischer Schokoladenkuchen oder Tiramisu oder Erbeertörtchen. Natürlich eine Käseplatte, mit Oliven und eingelegten Zwiebeln, spanischer Schinken, fluffiges Weißbrot. 

Es finden sich bestimmt noch Cookies oder Pralinen, zusammen mit gutem Schnaps als Absacker. Mist, jetzt Appetit. 

140. In welchem Laden möchtest du am liebsten einmal eine Minute lang gratis einkaufen?

Die Parfümerie bei mir um’s Eck. (Einmal quer durch’s Amouage Regal greifen, fertig.)

141. In welche Länder möchtest du noch reisen?

Portugal, Irland, Estland, Indien, Neuseeland, Kanada, Argentinien, Namibia

142. Welche übernatürliche Kraft hättest du gern?

Apparieren und Disapparieren a la Harry Potter wäre natürlich unsagbar praktisch. In diesen Tagen hätte ich manchmal gern die Fähigkeit andere spüren zu lassen, was ich spüre, in all seiner kaputten Logik. Würde vermutlich viel Schaden anrichten, aber vielleicht wäre da auch ein bisschen mehr verstehen. Empathie by Proxy quasi.

143. Wann wärst du am liebsten im Erdboden versunken?

Spontan fällt mir eine Überschrift ein, die so nie hätte online gehen dürfen, ein Kommunikations-Missverständnis mit einem Dienstleister das viel Geld gekostet hat und wie ich als Praktikantin mal den Oberober-Chef in einer Email völlig falsch adressiert habe. Ich befürchte ich bin im Job mutiger als privat und laufe darum da eher ins Verderben.

Grade fällt mir noch die Schulstunde ein, als eine verzweifelte Lehrerin versucht hat zwischen der mich mobbenden Klasse und mir zu vermitteln, nur, dass sie nicht dazwischen ging als aufgezählt wurde warum ich so seltsam und demzufolge selber schuld bin. Ich glaube an dem Tag hab ich ein bisschen mit der Menschheit abgeschlossen.

144. Welches Lied macht dir immer gute Laune?

https://www.youtube.com/watch?v=pUj9frKY46E

145. Wie flexibel bist du?

Was soll das heißen ES GIBT EINE PLANÄNDERUNG?

146. Gibt es eine ungewöhnliche Kombination beim Essen, die du richtig gern magst?

Richtig gutes Nußöl und sehr dickflüssiger Balsamico gehen ja prinzipiell zu allem, auch süß.

147. Was tust du, wenn du in einer Schlange warten musst?

Leute beobachten, Twitter checken, im Kopf eine Liste machen was es noch zu erledigen gibt.

148. Wo siehst du besser aus: im Spiegel oder auf Fotos?

Im Dunkeln.

149. Entscheidest du dich eher für weniger Kalorien oder mehr Sport?

Ich versteh die Frage nicht. Ich bin pro Nahrung.

150. Führst du oft Selbstgespräche?

Eventuell mehr als Gespräche mit echten Menschen. Was mich mehr beunruhigen sollte als es tut.

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Retro

Neulich schrieb ich jemandem, dass ich keine beste Freundin habe. Mich sogar kaum daran erinnern kann jemals eine gehabt zu haben. Natürlich kann man an dieser Stelle darüber diskutieren, schließlich habe ich eine Schwester und zwar eine von der fantastischen Sorte. Aber eben keine erste-Person-die-informiert-wird außerhalb der Familie. Auch keine klassische Clique. Klar, es gibt diese Kreise, die man ansammelt. Frühere Kolleginnen oder andere Verbindungen, die sich über den Job aufgetan haben. Die Rest der ersten Online-Clique anno Jahrtausendwende. Bekannte der Familie. Freunde von Freunden, die man mal hatte. Ich wohne in einem Dorf, da bleiben immer ein paar hängen. Die aktuellen, großartigen Menschen aus diesem Internet, wenn auch leider quer über die Republik verstreut. Die erste Anlaufstelle? Mein Blog. Ich schreibe mehr oder weniger regelmäßig in einem mehr oder weniger Blogformat ins Internet seit ich, puh, 13 ? war. (What up Greymatter-Crowd!) Die erste Isabella, die ihr Herz dem Internet ausgeschüttet hat, war bereits depressiv. Sie war es schon so sehr und so mitten in der Krankheit, dass sie dachte, das wäre einfach ihre Persönlichkeit. Depressionen zu haben, während die gleichaltrigen auf Partys gehen (zu denen ich ja ohnehin nicht eingeladen war) oder die Etikette des gegenseitigen sozialen Austausches lernen, in dem sie über andere Lästern (ich war die, über die gelästert wurde), heißt leider auch, dass die Krankheit versucht sich in die eigene Persönlichkeitsentwicklung einzumischen. Also habe ich immer alles aufgeschrieben. Nicht zwangsläufig für andere. Auf "publish" zu klicken, hieß schon damals auch Dinge rauszulassen. In den späten Neunzigern, als nur wir Freaks schon online waren und nur die Merkwürdigsten unter uns anfingen über sich selbst Dinge zu verfassen, war ein Blog ein wenig Therapie, ein wenig beste Freundin, ein wenig Abenteuer. Alles, was ich damals nicht hatte. Erst später ist mir klar geworden, wie sehr dieser Automatismus mein Reaktionsverhalten geprägt hat. Ich rufe niemanden an, um mich auszuheulen. Ich schreibe in keine Whatsapp-Gruppe wie es mir geht. Ich gehe auf Twitter und verlinke traurige Musik. Dann führe ich in meinem Kopf eine komplette Debatte zum Thema, schiebe schon dort Stichworte und Chronologie herum. Ich schreibe im Kopf. Ob es dann ins Blog kommt oder nicht - irgendwo im Hinterstübchen sitzt ein komplett verfasster Eintrag, der schon versucht Dinge in Kontext zu setzen oder Reaktionen vorzugreifen. Ich bin Redakteur, Kommentator und Historiker meines eigenen Lebens. Es auf andere Weise zu teilen, habe ich kaum gelernt. Dadurch habe ich ein paar Stärken entwickelt, die mir sogar beruflich nützen. Ich kann in Meetings zum Punkt kommen und alle am Thema halten, weil mein Kopf es ja vorher schon protokolliert hat und daran erinnert, dass wir keinen Platz für mäandernde Themen haben - als gäbe es eine Zeichenbegrenzung. Tatsächlich ist es eine Zeitbegrenzung, aber die Funktionalität ist ähnlich. Wenn ich meinen Standpunkt einbringen muss, dann habe ich dazu im Kopf schon sehr lange Gespräche geführt, pro und contra abgewogen, vielleicht sogar einen weiterführenden, konstruktiven Vorschlag erarbeitet. Ich weiß auch oft welche Wortwahl die gewollte Wirkung erzeugt. Feedback antizipieren und darum sachliche Kritik gut einbauen können - check und check. Einer der größten Idioten hinsichtlich zwischenmenschlicher Kommunikation sein, die ich so kenne? CHECK. Referenzen, Meta-Kommentare, anderen Schleifen bauen in denen sie sich verheddern, Pointe vor Freundschaft - alles kein Problem. Entschuldigen, Hilfe erfragen, um Zeit oder Abstand bitten? I'd rather not. In Krisenzeiten neige ich zu drei Kommunikations-Varianten: Dem aggressiven Wegschubsen (niemand versteht mich!), die vollkommene Tauchstation (niemand will mich tatsächlich verstehen!) und, am perfidesten, passiv-agressives Rumpöbeln bis die Gegenseite irritiert auf Abstand geht (niemand soll es einfach so verstehen!). [Bei Nr. 3 hege ich aktuell den Verdacht, dass ich mir damit mentale Lesezeichen setze, um den Zeitpunkt zu Kennzeichnen an dem sich ein schlechter Tag oder ein kleines Problem in die ersten Anzeichen eines Rückfalls verwandeln. Zumindest hoffe ich, dass dem so ist. Sonst ist es der unnützeste, anstrengendste und mit größter Überwindung wieder zu reparierende Tick, den ich mir zugelegt habe.] Und lange, sehr sehr lange, dachte ich, das sei meine Persönlichkeit. Ich bin halt mehr so kühl. Ich mache alles mit mir selber aus. Aber in diesen Tagen, in denen so viel in mir vorgeht und meine größte Sorge ist, wie ich darüber schreibe, merke ich, wie viel davon einerseits die Krankheit, wie viel davon andererseits mein erlernter Selbstschutz ist. Noch vor drei Monaten war ich regelrecht High. Ich hatte die magische Balance gefunden. Leben und Arbeit, Kontakte - privat oder beruflich, andere Projekte, plötzlich ging alles. Es war zum ersten Mal seit ich mich daran erinnern kann genug Zeit, genug Raum, vor allem aber genug Energie für alles da. Mir passierten unfassbar viele, sehr positive Dinge. Die meisten davon konnte ich nicht verbloggen, es hätte auch kaum Sinn ergeben, aber das war plötzlich halb so wild. Dadurch, dass ich einige dieser Entwicklungen selbst angestoßen hatte, kam ich mir auch auf einmal nicht mehr untalentiert, unliebenswert und als generelle Zumutung für andere vor. Im Gegenteil, ich konnte mich geradezu aufdrängen. Ein lichterloher, grenzenloser Horizont ganz für mich allein und die Sicherheit, dass es in meiner eigenen Hand lag aus meinem Leben das zu machen, was ich wollte. Dann wurde es finster. Innerhalb von 24 Tagen im Dezember war der Horizont weg, der Boden unter meinen Füßen verwandelte sich in Treibsand und auch sonst können wir uns die Szenerie eher apokalyptisch vorstellen. Aber ich bin keine plucky Katniss, die sich den grauen Mächten stellt. Versucht hatte ich es durchaus und brachte die Zeit bis zum Jahreswechsel irgendwo zwischen Zähigkeit, Apathie und solider Fassade nach Außen hinter mich. Aber was zuviel ist, war wohl zuviel. So wird dieser Eintrag wieder von einer Isabella formuliert, die ganz schön weit unten hängt, in einem schwarzen Tunnel. Allerdings um eine interessante Entdeckung reicher: Die Krankheit ist die Krankheit und die Persönlichkeit ist die Persönlichkeit. Klingt das simpel. Ist das fundamental. Das letzte Jahr hat mich viel gelehrt und einiges davon wollte ich nie wissen. Aber zumindest das habe ich nun verstanden - wenn es nur 8 Wochen vom bestmöglichen Gefühl zur kompletten Absenz von Gefühl braucht, beweist das in erster Linie, das ich zu dieser Bandbreite in der Lage bin. I do, in fact, contain multitudes. Ursprünglich wollte ich im neuen Jahr als erstes über meinen Vater schreiben. Über Abschied, über das was bleibt. Aber es wäre duster geworden, irgendwo zwischen falschem Mythos und der Traurigkeit über Dinge, die nicht waren. Stattdessen gibt es jetzt diesen fast 1100-Wörter Disclaimer. (Brevity is for Twitter, this is my Sandbox.) Verehrtester Leser: Dies ist kein Hilfeschrei. Ich hole mir Hilfe. Dies ist nur der Hinweis darauf, dass ein fieser Virus grade die innere Stromleitung gekappt hat und ich dabei bin, sie zu reparieren. https://www.youtube.com/watch?v=ZQJ6yqQRAQs (There's a line for everything.)