Wenn wir über die eventisierung einer Fußball-Weltmeisterschaft reden, reden wir auch über die eventisierung einer verdammt guten Story. Das ist die Sache mit dem Fußball. Wer einen Hang zu Geschichten hat, lässt sich davon leicht verführen.
https://twitter.com/Amethyststurm/status/477127827016650753
Eine WM – das ist, wie wenn das monatelang erfolgreiche Buch in einen sommerlichen Kinofilm verwandelt wird. Diejenigen von uns, die ohnehin das ganze Jahr lesen die Bundesliga verfolgen sind dann auch entsprechend argwöhnisch.
Weltmeisterschaft. Oder wie ich es nenne: die vierwöchige Inklusion von uns Fußballnerds in der Mitte der Gesellschaft.
— Max-Jacob Ost | @GNetzer@mastodon.social (@GNetzer) June 12, 2014
Wie Leute, die nichts über Positionen und Taktik wissen sich in Landesfarben hüllen, Fahnen aufhängen und irgendwelche Leute “Fußballgott nennen – das ist harte Kost für uns, die sich dieses Jahr Spiele mit HSV-Beteiligung angesehen haben.
Endlich weiß ich an wen Van Persie mich erinnert: Der junge Ben Affleck aus Good Will Hunting.
— Stefan (@StefanToGo) June 13, 2014
Jaja, Fußball ist Popkultur und endlich können alle ihre Referenzen dazu schmeißen. Sogar unwissende bekommen mit, dass Arjen Robben leicht fliegt, Neymar eine Frisur hat und Costa Rica die total putzige Überraschung des Turniers ist. Wer hat noch nicht, wer will nochmal?
https://twitter.com/e13Kiki/status/478567940300632065
Leicht übermüdet schleppt der wahre manchmal sehr doofe Fußballfan sich auch durch Elfenbeinküste gegen Griechenland oder das Spiel um Platz 3. Zettert und wütet, als Argentinien es gegen den Iran fast nicht auf die Reihe bekommt. Und wundert sich, weil man doch Südkorea viel stärker auf dem Zettel hatte. Ins Tippspiel traut man sich kaum noch zu schauen, weil die Laien wieder ihren Sommer-Triumph feiern.
Beim Blick auf den WM-Spielplan wusste ich sofort: die Kantersiege der Gruppenphase wirds bei ESP–NED und GER–POR geben. Lag auf der Hand.
— Kai Pahl (@dogfood) June 16, 2014
Aber anders würden wir es doch nicht haben wollen. Der Kampf Fußball-Experte gegen unwissende Wortwitzler auf den sozialen Netzwerken gibt einem solchen Turnier endlich genug Raum, um auch über spielfreie Tage hinweg zu kommen.
If Ghana wants to win it should attack the USA's weakness by shouting out Game of Thrones spoilers
— Eliza Bayne (@ElizaBayne) June 16, 2014
Ganz heimlich wünscht man sich, dass diejenigen bei denen die Begeisterung grade frisch aufflammt, für mehr Verständnis sorgt. Verständnis, dass der Samstag Nachmittag der Bundesliga gehört und ja, selbstverständlich muss man auf dem Handy die Ergebnisse der Vorbereitung gegen die Jugendmannschaft des FC Mitraching checken. Das liegt doch auf der Hand. Das gehört dazu. FUSSBALL!!EINSELF!!
Habe krankem Sohn II stundenlang Spielernamen aus dem Panini-Album vorlesen müsssen. Hat evtl. Folgeschadenovic. Kannseinis. Schlimmopoulos.
— Max.Buddenbohm (@Buddenbohm) June 19, 2014
Die Nebenkriegsschauplätze erst! Pöblende Italiener auf Twitter, gröhlende kroatische Freunde auf Facebook und Menschen, die eh gegen alles sind vor allem und besonders, wenn es Menschen einfach nur ohne schlechtes Gewissen Spaß macht.
Mit Freistoßspray wäre auch Dirty Dancing anders ausgegangen:
Das ist dein Tanzbereich *pfrchrch* und das ist mein Tanzbereich *pfschrsch*— sounds-o-phil (@soundsoviel) June 21, 2014
Worauf ich hinaus will: Mir hat dieses Turnier gerade weil ich es mit allem Hickhack auch auf und mit diversen sozialen Netzwerken erlebt habe noch mehr Spaß gemacht. Ich habe keine Erinnerung an 1990, vermutlich habe ich geschlafen. Oder was man mit 4 Jahren halt so tut.
Es gibt hier Menschen, die "Eiligkeit und Recht auf Freizeit" singen.
— Anna Aridzanjan (@textautomat) June 21, 2014
Meine wirkliche erste Fußballerinnerung ist im Grunde die EM 96 und da dann hauptsächlich die Herren Sammer und Eilts. Und die Queen. Und weinende Engländer. Das hat meinen Blick fürs erste zementiert. Die Jahre danach wahren…ernüchternd.
Ihr Leute, die ihr ganzjährig Fußball guckt: Wie haltet ihr das aus, ohne bekloppt zu werden? Ach so, Moment… #GERGHA
— Quarkkrokettchen (🏡) (@anneschuessler) June 21, 2014
Während der Herz- und Magenverein sich immer wieder erholt, war das mit der Nationalmannschaft etliche Jahre sehr mühselig. Man hat es versucht, aber da war kein Knistern, keine Chemie.
Diese knisternde Homoerotik überall, ich kann nicht aufhören die Spieler zu shippen! #WM2014
— SoonJa / SunYAY (@dielila) June 23, 2014
Eine Pflichtübung, die einen oft vor Rätsel stellte. Vogts, Ribbeck, Völler. Charisma ging anders. Mittendrin bekommt Deutschland eine WM zugesprochen und man weiß gar nicht, wie das werden soll. Und dann auch noch Klinsmann. Klinsmann! Als Bayer-Fan setzte ein bisschen Migräne ein.
Ich freue mich schon auf Olli Kahns Kommentar zum Thema „Gegenspieler beißen“.
— XMonster (@mainwasser) June 24, 2014
Das langweilige, staubtrockene, begeisterungsunfähige Deutschland und eine kunterbunte Weltmeisterschaft? Doch. Ja. Ging. Es folgten Sturm und Drang und ungeahnte Ergebnisse. Völlig neue Perspektiven.
Bin gerade auf einer Party mit 40 Schiedsrichtern. Einhellige Meinung beim Foul am Torwart: Das war eigentlich Rot. (af)
— Collinas Erben (@CollinasErben) June 28, 2014
Ja, es wurde auch mehr Kommerz. Aber das ist halt so mit dem Marketing. Eine tolle, starke Marke, ein emotional geladenes Brand wie wir Dampfplauderer sagen, das ist ein Merkmal des Erfolges. Man muss Oliver Bierhoff nicht mögen, aber der Marktwert des Teams ist keine schlechte Verhandlungsbasis. Für Leistungszentren und Jugendarbeit und generelle Veränderungen, die alte Herren in eingessenen Posten vielleicht nicht als notwendig betrachten.
https://twitter.com/Loehrzeichen/status/483291216490926080
Nur deswegen drehen auch die Medien so durch. Was schmerzhaft ist. Anstatt uns allen was beizubringen, über Taktik und modernen Fußball, über die Notwendigkeit von manchen Dingen, erfahren wir folkloristische Halbwahrheiten aus einem Zettelkasten oder werden taub ob der Euphorie eines Kommentators.
Oh God these penalties
— Hugh Laurie (@hughlaurie) June 29, 2014
Aber auch hier greift das Internet ein. Unterhält mit Memes und Kommentaren, mit Podcasts, Expertenmeinungen und hilfreichem Wissen. Mit dem man angeben konnte und sich so doch auch wieder als Nerd abhebt. Statuswahrung made online.
Schönste Frage an @CollinasErben während der WM: Werden die leeren Freistoßspraydosen eigentlich recycelt? Da musste ich leider passen.
— Alex Feuerherdt (@LizasWelt) June 30, 2014
Worauf ich hinaus will: Danke, du Internet, du.
Tooooooooooooooooooooor! (nicht länderspezifisch, gerne RT im passenden Moment) #servicetweet
— DonDahlmann (@DonDahlmann) June 30, 2014
Ohne euch, hätte es nur halb so viel Spaß gemacht.
Deutschland effizient wie noch nie. Neuer zu Neuer. Dann neuer mit Flanke auf Neuer. Neuer schießt. Neuer hält. Großartig von Neuer. #ALGGER
— Martin Delius (@martindelius) June 30, 2014
Ihr habt für Meinungsvielfalt, Wahnsinn und zumindest versucht haben wir es mit der Contenance.
Mertesacker: IS MIR VÖLLIG WURSCHT – WAS WOLLNSE JETZT VON MIR – GLAUBENSE UNTER DEN LETZTEN 16 IS IRGENDNE KARNEVALSTRUPPE?
— Cɾαɠɠαɳ (@Ojweh) June 30, 2014
Wenn der Irrsinn in zwei Jahren in Frankreich wieder losgeht, seid ihr dann auch dabei?
Deutschland-das Land,in dem es eine Straftat ist,sich zu freuen.
Ihr könnt mich kreuzweise,ihr ewigen Bedenkenträger & Spaßbremsen.#WM2014— Redwyne (@Paxter_Redwyne) July 4, 2014
Ich würde mich freuen.
Ich komme mental mit diesem Spiel nicht klar. #BRAGER
— Quarkkrokettchen (🏡) (@anneschuessler) July 8, 2014
Und für alle, die wirklich gar nichts von Fußball halten: Danke für die Geduld.
https://twitter.com/isabo_/status/486630547104747523
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