Not okay (Bella’s Version)

November ist schwierig, sehr schwierig. Noch nicht Jahresende, oder Weihnachten (wobei das ja dieses Jahr auch…mei.), aber dunkel und kalt und unangenehm. Weil das noch nicht langt, um die deutsche Seele zu repräsentieren, holen wir jetzt also auch nochmal die hohen Inzidenzen aus dem Keller und hängen sie in die Fenster, um den Rest zu unterhalten.

Seit ein bisschen mehr als 18 Monaten gehört man hier in Südostoberbayern ja zu den Early Adoptern jeder neuen Welle. Dieses Mal langt es zwar nicht für die Top5, das macht der Nachbar-Landkreis, aber so wirklich Pläne für dieses Jahr hab ich nun auch keine mehr. Keine Pläne, keine Geduld, kein Wohlwollen mehr für irgendjemanden oder irgendwas. Eine düstere, kalte und rauchige Wut beherrscht eigentlich alles. „Die Ungeimpften“ sind natürlich längst keine anonyme Masse mehr, weil sie sich plötzlich fast zwangsweise zu erkennen geben, im eigenen Umfeld. Rücksichtslos und egozentrisch ziehen sie sich eine Maske aus Bedenken und Angst auf, der man angeblich mit keiner rationalen Erklärung mehr bei kommt. Dafür gibt es Therapeuten, möchte ich sagen, aber es kommen nur noch kreischende Vorwürfe.

Die Kommunikation um die Drittimpfung meanwhile ist so wacklig, dass ich bereits geimtpfte Menschen kenne, die das jetzt eigentlich nicht wollen. Oder wollen und noch nicht dürfen, können, abgewiesen werden. Alles sehr aufbauend.

Ich bin weiß Gott mehr für diese Situation konzipiert als die meisten Leute, aber umso deutlicher liegt meine Einsamkeit mir auch gerade auf den Schultern. Es ist die traditionelle Jahreszeit dafür, in der ich daran erinnert werde, wie isoliert ich grundsätzlich in meinem Leben bin. Es sollte nicht so einfach für mich sein in den Pandemie-Lockdown-Modus zurückzukehren, but here we are.

Auch ansonsten ist es halt November. Ich experimentiere mit alkoholischen Getränken und nehme mir vor wieder mehr zu schreiben, weil ich eigentlich ja weiß, dass das hilft. Oder sogar richtig heftig Endorphine freisetzt, wenn es gelesen wird. Aber dafür sollte man auch etwas zu sagen haben und das habe ich grade nicht.

Mein Hirn wird gerade noch von einer Erkältung gebremst, die Ausrede sämtlicher uns regierenden und verwaltenden Menschen hab ich noch nicht gehört.

Die ewige Wiederholung. Von außen zugeführte Schockstarre, innen drin aufgewühltes Chaos. Immer mal wieder der Impuls irgendetwas zu kreieren, an etwas zu feilen und sich komplett darin verlieren, das klingt gut. Ich denke, so werde ich mein Jahr ausklingen lassen.

Apropos ausklingen lassen, diesen Fragebogen habe ich gestartet *checks notes* 2018. Motherfudger, was da noch alles bevorstand. Das war ein halbes Jahr nach dem Tod meines Vaters und ich merke jetzt erst, wie lang ich das als Thema mit mir rumgetragen habe. Es war auch die Zeit als ich *checks andere Dinge* einen letzten Versuch zur Klärung einer schmerzhaften zwischenmenschlichen Sache unternahm und wieder ge – bzw. enttäuscht wurde. Ach ja, die Naivität.

Heute hätte Papa Geburtstag und ich kann mir nicht helfen, ich bin froh, dass er den Untergang des Planeten und der Zivilisation nicht mehr so mitbekommt. Es wäre so zornig, noch viel zorniger als ich und das will was heißen. Er wäre aber vor allem auch so besorgt. Nein, so ist es besser. Auch wenn er fehlt.

1000 Fragen / 976-1000

976. Wer ist dein Vorbild?

Kennen Sie diese schönen, faulen Katzen, die einen kompletten Haushalt im Griff haben und dafür auch noch gelobt werden?

977. Wann hast du zuletzt einen Tag am Strand verbracht?

Wenn wir auch kalte, nasse Strandtage zählen, dann … letztes Jahr im Herbst, glaub ich?

978. An wem orientierst du dich?

Orientierung ist ganz generell was mir fehlt im Leben.

979. In welcher Hinsicht bist du immer noch ein bisschen naiv?

Manchmal nehme ich Menschen beim Wort. Meistens einfach, weil ich glaube, dass sie sagen was sie meinen, weil alles andere ja unpraktisch ist. Vereinzelt aber auch, weil sie erfolgreich vorgeben gewisse Ansprüche an sich selbst zu haben und diese kommunizieren, aber eben nicht umsetzen. Das ist natürlich auch so eine Autismus-Geschichte. Ich dachte lange, ich könnte das nicht sein, weil ich Metaphern benutze und Sarkasmus verstehe. Aber das sind ja nur Formeln, die man auflösen kann. Aber wenn Leute einfach nur etwas sagen und man es genauso interpretiert, dann fühlen sie sich oft missverstanden oder werden zornig. Es ist ermüdend und man kommt sich dann relativ dumm vor. Gleichzeitig sage ich halt auch was ich meine, bzw. meine genau das was ich sage. Das macht andere manchmal auch zornig. Schwierig, alles.

980. Trägst du Schmuck, der für dich einen Erinnerungswert hat?

Selten. Mir werden mittlerweile gern Ohrringe geschenkt und ich freue mich immer besonders, diese zu tragen, weil sie für Menschen stehen, die an mich gedacht haben.

981. Wie sieht dein Auto innen aus?

Isch ´abe gar kein Auto (Hallo Gen-Z, kennt ihr das überhaupt noch?)

982. Hast du in den letzten fünf Jahren neue Freundschaften geschlossen?

Aber hallo. Vor fünf Jahren um diese Zeit ungefähr, führte ich gerade Gespräche über den neuen (jetzt schon wieder alten) Job, der dann viele Grundlagen gelegt hat. Seitdem ist dermaßen viel passiert, wozu immer auch neue, wichtige Menschen gehören. So viele ich verloren hab, weil ich von einem getäuscht wurde – die, die es stattdessen in mein Leben verschlagen hat, sind 17x besser.

983. Wer bist du, wenn niemand zuschaut?

Annähernd dieselbe Person wie mit Publikum, das ist ja das Problem. Ein bisschen verzweifelter, momentan, aber wer ist das nicht.

984. Welche inneren Widersprüche hast du?

Ich will unabhängig und frei sein, halte die Rolle von romantischen Beziehungen in unserer Gesellschaft für absurd überhöht. Aber manchmal, manchmal, ist da schon ein Stimmchen. Man wäre schon auch mal gern gut genug für jemanden, für eine einzige Person, für so viel Nähe, dass es gefährlich wird.

985. Wann warst du über dich selbst erstaunt?

Manchmal guck ich mir zu, wie ich so relativ radikale Entscheidungen treffe und denke, och, das ist aber jetzt doch einschneidend und das obwohl Plan B nicht festgezurrt ist. Jobs gekündigt, zwischenmenschliche Brücken angezündet, Ideen verteidigt. Meine kleinen Inseln des Selbstbewusstseins.

986. Leihst du gern Sachen aus?

Prinzipiell ja, ich hänge kaum an Sachen.

987. Bist du auf dem richtigen Weg?

Ich schreibe diese Zeilen, dear gentle Reader, in einem ICE auf dem Weg nach Dortmund. Also im Wortsinne: Nein, bin ich nicht. Ganz generell: Och, bisschen wenig Beschilderung, gerade für unsere Breitengerade, aber man findet schon wohin.

988. Wie lautet dein Kosename für deinen Partner?

Mein WAS für WEN?

989. Bei wem hast du immer ein gutes Gefühl?

Ich sehe mittlerweile davon ab, mich auf Gefühle zu verlassen, das ist bei mir immer etwas diffus.

990. Wie zeigst du den anderen, dass sie für dich wertvoll sind?

Mei, ich bin ja eh mehr so für’s Grobe gemacht, ich bin da wenn es hässlich wird, ich halte Dunkelheit und Stille mit aus. Oh, und Geschenke kann ich gut, hab ich mir sagen lassen.

991. Was machst dich richtig zufrieden?

Abgesehen von einer Badewanne, einem angewärmten Schlafanzug, frischer Bettwäsche und einem Glas Whisky? Wenn ich jemanden helfen konnte.

992. Was ist das schönste Geschenk, das du jemals bekommen hast?

Zeit. Ehrlichkeit. Ausgehalten werden.

993. Zu wem hast du blindes Vertrauen?

Oh no we don’t go there.

994. Was hast du einmal ähnlich wie ein warmes Bad empfunden?

Der Mensch hat an sich kein wirkliches Schmerzgedächtnis, aber ich erinnere mich gut an Moment, wo Schmerz nachgelassen hat. Also die fiese Sorte. Das ist schön.

995. Was ist das Spannendste, das du jemals erlebt hast?

Ich hoffe sehr, dass das noch kommt. Bis jetzt war mehr so Anspannung.

996. Was ist ein grosser Trost?

Endlichkeit.

997. Wovon hast du gedacht, dass du es nie können würdest? 

Mich manchmal ganz okay finden. Kommt immer noch nicht flüssig aus dem Handgelenk, aber hier und da komme ich mit mir zurecht.

998. Was kannst du heute noch ändern?

Im Kleinen fast alles. Also meine Umstände, meine Ziele, da ist Spielraum. Im Großen kommen wir gerade an so einen kritischen Punkt, da werden sich ein paar Dinge nicht mehr umkehren lassen.

999. Wie wird dein Leben in 10 Jahren aussehen?

Gut, denke ich. Anders. Ich mag den Gedanken, dass es in der Zwischenzeit noch so ein paar Momente mit radikalen Entscheidungen geben könnte, die alles auf den Kopf stellen.

1000. Welche Antwort hat dich am meisten überrascht?

Nur, dass ich durchgehalten habe, angesichts so mancher Frage. Meine Güte.

Ach ja, Novembermusik, mussja.

You’ve got to just keep on pushing it
Keep on pushing it
Push the sky away
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2 thoughts on “Not okay (Bella’s Version)

  1. Diese bedingungslose Liebe für schöne, faule Katzen wäre ein Modell für Menschen. Da stört dann aber schon der falsche Musikgeschmack. Sehen sich Menschen als Konkurrenten?

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