Zuerst wollte ich ein paar Worte zur Frauenquote schreiben. Aber dann schien die Sonne und man brachte mir ein Bild. Heute ist Donna Dora, Matriarchin vor dem Herrn, ein Jahr tot. Damals habe ich die folgenden Zeilen in mein rotes Notizbuch geschrieben. [Sollte Ihres oder mein Leben dereinst verfilmt werden, verbiete ich hiermit sowohl Iris Berben als auch Veronica Ferres jeden Zutritt zu der Rolle meiner Großmutter. Christine Neubauer nur, wenn es ein Film in Original-Dialekt wird.]
Meine Locken habe ich von ihr. Meinen zweiten Vornamen.
Manche würden wohl behaupten auch meinen Sturkopf und das fehlende Talent zum Flüstern. Oder für Diplomatie.
Eher stark, zäh und amüsant als warmherzig und liebenswert.
Ich verwandle mich also bereits jetzt in meine Großmutter. Und nun, wo sie nicht mehr da ist, kann ich nicht mehr beobachten ob ich vielleicht doch auch ein paar positive Eigenschaften aus der Erbmasse ergattert habe.
Nicht, dass nur wir beide diese Attribute hatten. Das sind ziemlich durchsetzungsfähige Gene. (Das erwähnte ich ja bereits.)Außerdem hatte sie als Jahrgang 1922 durchaus Gründe, um nicht zu sagen Umstände, die sie so haben werden lassen. Mit kaum 18 verlobt, kurz darauf Bäuerin, Ehefrau und wichtigste Madame auf dem Dorf. Man war schließlich der größte Bauer, der Ehemann hatte den Ortsverband der CSU, den Sportverein und die Trachtler mitbegründet. Mia san ja eppa
Es folgen Kinder, Krieg, Wittwen-Dasein, Ramtamtam. Der Mann stirbt kurz nach dem Krieg und eine ganze Weile ist sie alleinige Chefin auf dem Hof. So ganz hat sie ihn nie aus der Hand gegeben, zum Leidwesen ihrer Schwiegertochter. Die einzige Tochter muss sie zu früh zu Grabe tragen und bevor sie wirklich zum trauern kommt liegt der jüngste Sohn nach einem Unfall im Koma. Aber sie hat immer die Fäden in der Hand behalten.
Was soll man da werden – außer zäh?Ein kluger Kopf und ein scharfes Mundwerk waren ihr gegeben, lange bevor das einer Frau irgendetwas nutzte. Sie konnte schneller Kopfrechnen als die Händler auf dem Kälber-Markt, hat sich gemerkt wer was wann über wen gesagt hat und das zu ihren Gunsten genutzt.
Trotzdem war sie eben nur die Frau vom Bauern. Darüber nicht ganz zu verbittern ist schon eine Kunst. Aber sie schuf sich kleine Fluchten, das konnte sie. 1Trotzdem, sie war meine Oma mit den Dampfnudeln und einem großen Glas voller Toffees neben dem grünen Fernsehsessel. Und Streichwurstsemmeln mit einer dicken Schicht Butter als Unterlage. Die mit uns nach München in den Tierpark fuhr und handgemachte Dirndl spendierte. Eine Patronin eben und sowas hat nicht jeder zur Großmutter.
Manchmal bedeutete das auch, dass andere verlieren, einstecken mussten. Hauptsach, die Familie war geschützt. Wir sollten alle immer den Kopf oben halten und auf Respekt pochen, do kannd ja nachad jeda daher kemma.
Jetzt, wo ich plötzlich mit einer gewissen Wehmut an sie denke, schaue ich erst recht darauf, dass ich ihr kei Schand’ mach. Das ist die Macht von Großmüttern.
- Bei einer solchen Gelegenheit entstand das obige Bild. Frisch verlobt war sie auf einmal verschwunden. Zuerst in München, wo sie sich portraitieren ließ und nach einem kurzen Abstecher in Italien zurück kam, um brav den älteren Bauern zu heiraten. ↩