Serienentwicklungsland

Zu den Dingen mit denen ich dieses kleine Blogdings in nächster Zeit füllen will, gehört auch das hier, ein quasi Serienstöckchen.

Und als ich mir dazu so Gedanken gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass am Ende die Meisten der erwähnten Serien aus den USA und ein paar aus England kommen werden, aber fast keine aus Deutschland.
Warum eigentlich?
Weil das so eine Sache ist, mit dem Serienproduktionsstandort Germany.

Problemansatz eins: die Sender.

Egal ob öffentlich rechtlich oder privat, deutsche Fernsehsender fördern heimische Produktionen nur mangelhaft. Natürlich ist das eine Geldfrage. Auch. Denn selbst, wenn man nicht die Produktionswerte amerikanischer Krimiserien (CSI ich hör dir trapsen) zu Grunde legt, so ein bisschen muss einfach investiert werden.
Nur, kommt es wirklich immer billiger Serienware aus den USA zu kaufen (und nicht lizensieren!), zu synchronisieren und noch einmal zu vermarkten? Gerade in Zeiten in denen Serienfans auch ohne größere technische Kentnisse an neue Folgen im Original kurz nach Ausstrahlung in den USA bekommen?
Nicht unbedingt.

Ergo: Hat ein deutscher Fernsehsender die Wahl 1 Mio. Euro entweder in den Einkauf einer (womöglich mittelprächtigen und bereits wieder gecancellten) amerikansichen Serie zu stecken oder dafür etwas Eigenes zu prodzuieren (Etwas, dessen Vermartkungsrechte auch nach der Erstausstrahlung beim Sender liegen) wird immer reflexartig, die fremde Serie eingekauft.
Schließlich hat die bestimmt besser Quoten, denken sich die Sender.

Nun, jein. Dazu muss man Wissen, dass Quotenmessung in Deutschland heute noch so funktioniert, wie zu Zeiten von Wim Thölke und Hans-Joachim Kuhlenkampff (die googelt ihr jetzt gefälligst selbst, ihr jungen Hüpfer.). Nämlich, in dem ausgewählte Haushalte ihr Fernsehverhalten mittels Knopf an der Fernbedienung dokumentieren. Das Verhalten dieser Gruppe wird dann hochgerechnet. (Also auch wieviele Menschen insgesamt ferngesehen haben.)
Das setzt voraus, dass diese Menschen tatsächlich immer brav den Knopf drücken und vor allem, dass sie alles was für’s Fernsehen produziert wurde, auch über ihr TV – Gerät konsumieren.
Und jetzt überlegen wir alle ganz scharf, was sich daran geändert haben könnte.

Damit entspricht die, grade für die Werbeindustrie so wichtige Quotenmessung, nicht mehr annähernd der Wahrheit. Zwar wissen es viele Sender mittlerweile besser und stellen ihren Content auch Online zur Verfügung – sie tun dies aber in einem gewissen Blindflug was die tatsächlichen Empfänger angeht. Woher soll so ein Fernsehsender also wissen, dass es Menschen gibt, die sich für eine gute deutsche Serie begeistern würden? Stattdessen verlassen sie sich auf das Dogma, das alles was aus dem geheiligten Land der TV-Produktion kommt auch Zuschauer gewinnt und vermeiden im Zuge dessen auch großzügig das Nachdenken über eine eigene Programmstruktur und Senderpersönlichkeit. Und als Füllmaterial gibt es ja reality-tv mit Skripts. (RTL, I am looking at you.)

Außerdem, für Eigenproduktionen muss man sich um so viel kümmern. Vorallem um gutes Material.

Problemansatz zwei: kreatives Brachland

Der jahrelange Kreislauf aus Sendern die ihre Zuschauer für doof halten und mit wenigen Ausnahmen Drehbücher verfilmen die diese These unterstützen rächt sich dann eben doch.
Nicht, dass es nicht Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler gibt, die gut in ihrem Fach sind (we’ll get to that in a minute), aber zwischen Soaps und Telenovelas, Alarm für Cobra 11 und Inga Lindström, ist es ein Kraftakt als solcher zu überleben.
Und grade hier lohnt der Blick in die USA: ein guter Showrunner, der die Hauptidee hat und über den roten Faden durch Drehbücher und Produktion wacht ist sein Geld wert. Man google dazu J.J. Abrams, (Lost, Fringe, Star-Trek Reboot) Matt Weiner (Mad Men, begann als Schreiberling bei den Sopranos) oder Tina Fey (30 Rock, Sarah Pahlin).
Und natürlich schreiben diese Menschen auch große Teil der Folgen, aber ihr wichtigster Job ist das managen einer Serienproduktion – und dirigieren des writers room.
Ein Raum in dem Ideen ausgetauscht, Serienfolgen konstruiert und anschließend geschrieben werden. Damit Charaktere, Dialoge und Storylines kohärent sind. Diese Kohärenz macht Serien, deren Plot folgenübergreifend funktioniert (LOST, Mad Men) erst möglich. All dies existiert hierzulande nicht. Serien werden einmal konzipiert und dann meistens Drehbücher für einzelne Folgen in Auftrag gegeben. (Wie das ausgehen kann, wissen wir)
Dass es hier happert, sieht man grade auch den wenigen starken Produktionen aus Deutschland an. Und die gibt es.

Problemlösungssilberstreif: Ärzte, Türken und ländliche Minderheiten

Es ist nicht Alles verloren. Zum Beispiel beim Lieblingskind der öffentlich-rechtlichen, die Krimiproduktionen. Wilsberg und Bella Block, the occasional Tatort und so weiter, da wo erlaubt wird, tatäschlich zu erzählen und starken Schauspielern ein bisschen Freiraum gelassen wird, gibt es kleine Highlights.
Deutsche Serien sind gut, wenn sie sich trauen Geschichten zu erzählen, die hierher kommen. Wenn man vor Lokalkolorit nicht zurückschreckt, sondern als Chance wahrnimmt. (dazu befrage man Franz Xaver Bogner, bayerischer Seriengott: Irgendwie und Sowieso, München 7.)
Oder gleich mal erkennt wo es Storys gibt, die nur hier passieren können. Dazu schreibt man dann Dialoge, die tatsächlich schnell, geschliffen und witzig (!) sind, findet Schauspieler die wissen was sie tun und schon hat man einen kleinen deutschen Seriendiamanten.

Man hat z. B. Mord mit Aussicht. Und ja, es ist ein Krimi. Und er spielt auf dem Land, in der Eifel, no less, ABER. Figuren, wie die aufs Land versetzte Komissarin haben tatsächlich Charakter. Dialoge: haben Sarkasmus und Witz. Ehrlich. Fälle: sind so seltsam wie es Kriminalfälle auf dem Land manchmal sind.
Die Serie macht kein TamTam, versucht nicht krampfhaft jedem Klischee aus dem Weg zu gehen, sondern zeigt es lieber mal aus einer anderen Perspektive.
Wenn jetzt also bitte alle Dienstagabend gegen 20:00 Uhr die ARD einschalten würden, es bestünde Hoffnung. Nicht zuletzt weil man hier mal wieder den Zyklus von Produktion, Ausstrahlung und eventueller Wiederholung derartig lose gestaltet hat, dass eben doch nur klassisches Einschalten hilft.

Und dann wäre da noch Bora Dagtekin. Retter meiner deutschen Serienhoffnungen. Goldenes Kind der Branche. Erfinder von Türkisch für Anfänger und Doctors Diary.

Über Türkisch für Anfänger noch ein Wort zu verlieren, wäre fast schon zu viel des Guten. Deutsch-Türkische Kutlurzickerein, Patch-Work-Familienentwicklung, Coming-of-age und das in rasender Geschwindigkeit und ohne Rücksicht auf Verluste. Menschen: Kauft diese DVDs.

httpv://www.youtube.com/watch?v=nLLybshtMrM

Und als alle Preise eingesammelt, alles Lob angehäuft war nahm Bora sein kreatives Hirn und machte .. eine Arztserie? Tja. Und was für eine. Doctor’s Diary ist das vermutlich Unterhaltsamste was RTL seit Alles Nichts Oder produziert hat. Und so die Programmplanungsgötter irgendwann soweit sind, bekommen wir von RTL auch endlich die dritte Staffel. Bis dahin können Sie, geneigter Leser, ja die ersten beiden Staffeln rund um Gretchens Abenteuer zwischen Krankenhaus und Herzschmerz nachholen. Und sich ein Loch über den Bauch freuen, über die brillianten Schauspieler (Florian David Fitz ist überdies attraktiver als jeder ansässige Doctor in Greys Anatomy), die rücksichtslosen Dialoge und das sensationelle Timing, mit dem beides kombiniert wird.

Ich entschuldige mich an dieser Stelle dafür, dass man bei RTL respektive Clipfish noch nicht begriffen hat wie Internet funktioniert und die Videos daher nicht direkt hier abgespielt werden.

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