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Noël

*Der Arbeitstitel ist jetzt irgendwie hängen geblieben, die Referenz erkläre ich nachher. CW für Autism, I guess?

I swear, I am completely unimpressed with clever answers.
"And I was so hoping we'd have a second date"
You're in nine kinds of pain. You don't even know what's going on inside of you. And you are so locked into damage control that you can't...
"You diagnosed me in eight hours?"
Josh, I diagnosed you in five minutes.

A. Sorkin

Mein Kiefer tut immer noch weh, zwei Tage später. So angespannt hatte ich jeden Muskel. Ich wusste nicht, dass das in ein paar Stunden geht, aber ich wusste ein paar Dinge vor Samstagabend nicht. Als ich auf einer Party war, viele liebe Menschen seit einiger Zeit das erste Mal wiedergesehen habe, ein freudiger Anlass, eine hinreißende Einladung am anderen Ende der Republik, es war doh alles wirklich in Ordnung.Bis es überhaupt nicht mehr in Ordnung war und ich warne jetzt einmal vor: Es geht heute ein bisschen ausführlicher um die Sache mit dem autistischen Spektrum und das schreckt manchen ab. Ist okay, mich verschreckt es ja auch und ich stecke drin.

Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen so ist, dear reader, aber ein erschütternder Anteil meiner Freunde mittleren Alters fällt irgendwie nicht in die Abteilung “ambient Jazz zur Dinnerparty” oder gar “klassische Instrumentalisten beim Soiree”. Nein, sie hören Bands, die ich nicht kenne, kaum unterscheiden kann, aber vor allem eines sind: laut. Was ja schön ist, ich hatte auch meine Linkin Park - und Apocalyptica Phase, zugegeben, ich bin dann auch irgendwann 20 geworden, aber doch nett, wenn Leute im Herzen jung bleiben. Das Gehör lässt eh nach, da ist laut womöglich gut.

Bei der Feier am Samstag, wo ich zur Minderheit u40 gehörte (noch bin ich das, einself!), spielte der befreundete DJ auf Wunsch der Gastgeberin also vor allem Dinge mit sehr schrammelnden Gitarren, lautem Bass und/oder wahrhaft exzessivem Getrommel.

Zu Beginn so einer Feier, zum Aufwärmen quasi, fand ich das so gar noch ganz erheiternd. Das Separee einer gastronomischen Einrichtung, in der die Feier stattfand, war mit langen Tischen und ein paar plüschigen Sitzgelegenheiten ausgestattet, was mich aber womöglich denken ließ, dass es irgendwann mal ruhiger werden würde, qua anregender Unterhaltung. (Look, innerlich war ich immer schon MINDESTENS Mitte 30, hier läuft aus Gründen Yo-Yo Ma, lasst mich.)

Apropos G Major, vielleicht gärte alles auch schon eine Weile. Nach langer Anreise am Freitag hatte ich mich Samstagmittag in eine vorweihnachtliche Innenstadt gewagt, selber Schuld also. So viele Menschen, Straßenmusiker, Lichter, Black Friday Deals, Kinderkreisch, Frittengeruch, Glühwein, Leuchtreklame - womöglich war nicht mehr viel im Sensorik-Tank. Danach dann mit eingetroffenen Freunden eine etwas chaotische Suche nach Versorgung mit Kaffee und Kuchen oder Vergleichbarem, auch die innere Planerin war eher nicht mehr in Balance. So in der Gesamtbetrachtung war die anschließende Beschallung mit 6 Stunden, nun, für meine Ohren Lärm, einfach zu viel.

Es muss dann irgendwann nach dem Essen passiert sein, als ich merkte, wie mir die Musik die Haut abzog. Wie ich innerlich in ein “es muss doch gleich besser werden” verfiel, in ein Hoffen, dass es leiser, langsamer, erträglicher wird. Stattdessen fühlte sich sehr schnell jeder Song an, als würde er wieder den Schäler ansetzen und noch eine Schutzschicht abziehen, als würde der tendenziell brüllende Gesang direkt mein Nervenzentrum angreifen.

Sensory Overload heißt das, fast schon lapidar. Der deutsche Begriff ist “Reizüberflutung”, nur, dass der leider schon a weng strapaziert und nur noch bedingt im Zusammenhang mit Autismus genannt werden kann. Ich war immer stolz darauf, wie zäh ich bin. Was ich alles aushalte. Gerade auch nach der Diagnose dachte ich, Gottseidank bin ich nicht SO empfindlich. Ich habe zwar ein wirklich gutes Gehör und schiefe Töne können sich regelrecht schmerzhaft anfühlen, aber mei, für wen ist das nicht so? Für die meisten Leute, wie ich gelernt habe. Es mag auch niemand helle, lichtdurchflutete Räume und große helle Leuchten, richtig? RICHTIG?

Zuerst wurde ich, zumindest in meiner vagen Erinnerung, etwas zickig zum Thema Musik. Strategisch völlig idiotisch erstmal die laufende Playlist gedisst, weil mir die Werkzeuge fehlten, um zu erklären, dass ich es wirklich gerade nicht mehr aushalte. Dass ich mich keine Minute mehr mit jemandem Unterhalten kann, solange es sich anfühlt, als ob das verdammte Schlagzeug auf meine Nervenenden eindrischt, ich nichts mehr mitbekomme außer dem anstrengenden Grölen des Sängers und generell gleich implodiere, WENN NICHT ENDLICH JEMAND DEN DRECK LEISER MACHT. Also das war innen.

Außen wurde ich halt still. Habe versucht, die Ecke des Raumes zu finden, wo es vielleicht weniger schlimm ist. Wo es mir die Luft weniger abschnürt, ich nicht den Drang verspüre zurück zuschreien, dass es bitte bitte endlich aufhören soll, dass ich ganz dringend und auf der Stelle Ruhe und Dunkelheit brauche und alle Entscheidungen hinterfrage, die mich an diesen Ort gebracht haben, wo offensichtlich alle außer mir mit dieser Geräuschbelästigung leben und sogar feiern konnten.

Wie ich für einen kurzen Moment sogar hinterfragte, wie ich mit diesen Menschen befreundet sein kann, wenn sie ranzige Kneipen und schlechtes Bier und unerträgliche Musik gut finden und Dinge improvisieren und überhaupt, das geht doch alles so nicht, wie haltet ihr das alle aus, WIE HALTET IHR DAS ALLE AUS UND MERKT IHR DENN NICHT, DASS ES MICH GERADE ZERREISST.

Aber es wurde ja bemerkt und auch das ist die Geschichte vom Samstag. Von ausgerechnet, oder vielleicht selbstverständlich der jüngsten Person auf dem Fest, die nicht nur sah, sondern auch verstand und jetzt fange ich schon wieder an zu heulen, weil ich die Gelegenheiten in meinem Leben, wo jemand aktiv und ohne mein Bitten advocacy für mich betrieben hat, an einer Hand abzählen kann. So eine Person haben, die einen erstmal in Sicherheit bringt und die bescheuerte, erschöpfte Heulerei aushält und sogar dafür sorgt, dass es etwas leiser wird. Nicht leise genug, aber das ist natürlich die Krux jetzt.

Ich hätte ja einfach gehen können, aber einfach ist gar nichts. Ich wollte doch so gern mitfeiern, ich wollte mitlachen, auch lustig sein, für die Gastgeberin zu einem gelungenen Geburtstag beitragen. Ohne, dass sie dabei auf ihren, egal wie zweifelhaften für mich, Musikgeschmack verzichten muss. Auch logistisch alles völliger Wahnsinn. Selbstverständlich passiert dieser Meltdown nach fast 10 Stunden Anfahrt und kaum 5 Stunden Party. Ja was auch sonst.

Aus dieser tollen Mischung aus komplett eingebrochen, aber dickköpfig und außerdem nicht negativ auffallen wollen, aber es dadurch natürlich tun heraus, konnte, wollte, weigerte ich mich also einfach zu gehen.
Sogar jetzt beim Aufschreiben drückt es meine Lungen wieder zu. Auch so ein Mega-Feature am Autistinnen Dasein - je traumatisierender die Erinnerung, umso weniger kann sie von der emotionalen Reaktion distanziert werden und so steckt man beim erneuten Nachdenken darüber wieder komplett im neuronalen Setting. Toll, oder?

Das ist auch die einzige Erklärung, die ich habe, warum ich - zumindest bis dato - gern auch auf große Konzerte gehe. Laut, Schrill, Bombast - I’ll take it. Aber halt Musik und Künstler, die ich mag, verehre - wodurch die emotionale Reaktion positiv ist und der Overload wohl ausgeglichen wird? Ich bin doch auch nur Laie.

Aber vielleicht ist das auch alles Vergangenheit.

Darüber denke ich seitdem nach. Ob das Wochenende ein Wendepunkt war, eine Zäsur. Die Intensität des Zusammenbruchs, die mir auch Tage später noch in den Knochen steckt, lässt mich ins Wanken kommen, was Pläne angeht. Viele Autist*innen berichten davon, dass ihre Widerstandskraft mit steigendem Alter weniger wird, die Rekonvaleszenzphasen länger sein müssen, Grenzen noch enger gesteckt werden.

And this is where the anger kicks in.

Weil das Universum schuldet mir noch ein paar Dinge, vor allem gute, intensive Momente. Ich war das kranke Kind, der gemobbte Teenager, die gestresste, brave Studentin. Ich kenne Einsamkeit und Isolation, ich kannte den gefühlten Lockdown lange vor der Pandemie. Je mehr zurück es für viele in die “Normalität” oder zumindest etwas Vergleichbares zu den before-times, wie ich sie nenne geht, desto öfter ist da ein kleines Stechen, eine unerhöhrte, fast unanständige Vermissung der Zeit, als es durch die zwanghafte Anpassung unser allen Lifestyles zu einer gemeinsamen Basis kam, aus der ich viel gezogen habe.

Ich habe in den letzten 3 Jahren mehr intensive, kluge, reflektierte Gespräche geführt als in allen Jahren davor zusammen. Mehr über Menschen erfahren, mehr hinter die Fassade geschaut und Verbindungen geknüpft als ich es für möglich gehalten habe. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich nichts aushalten, um dabei sein zu können, weil wir alle buchstäblich denselben Abstand halten mussten. Ich musste nicht physische oder mentale Ressourcen kalkulieren, um meinen Bedarf an Austausch mit anderen Menschen dagegen zu rechnen.

I miss the quiet conversation.

Manchmal denke ich, dass ich beruflich eigentlich gar nicht ambitioniert bin, aber ich möchte mir Komfort leisten können, weil wenn ich bestimmte Rahmenbedingungen nicht mit Komfort ausgleichen kann, müsste ich auf Gelegenheiten verzichten, die die Einsamkeit verhindern. Das 1. Klasse Bahnticket für die lange Fahrt, das Hotelzimmer in der Nähe vom Veranstaltungsort, die Reservierung für das gute Restaurant, das Taxi für die letzten Meter. Klar war mir die Verbindung zwischen meinem Hang zu solchen Komfort-Maßnahmen und meinen physischen Beeinträchtigungen. Aber erst langsam klickt die Synapse zwischen der inneren Luxus-Lady und der Autistin, die sich an Qualität orientiert, weil es weniger Aufwand ist. Weniger Risiko, dass etwas kaputtgeht, es keinen Service gibt, ich mich selbst kümmern muss, anstatt es einer Person mit entsprechender Expertise zu überlassen.

Being me is expensive y’all.

Als ich die letzten Stunden der Party hinten in einem Sessel saß, kamen nach und nach einzelne Menschen vorbei, fragten wie es mir geht, was man tun kann. Aber, und das ist das Fiese an dieser Sorte Zusammenbruch, ich konnte nicht mal mehr wirklich antworten. Es war keine einmalige Eruption, kein Fieber, das kippt mit anschließender Heilung. Ein besonders tapferes Duo (the aformentioned inclusion advocacy heroine und noch so ein grumpy Berlin Union Fan) mühten sich bis zum Ende sehr, aber die Wut über meine eigene Schwäche, die Enttäuschung womöglich jemandem die Feier verdorben zu haben, die immer noch plärrende Musik - es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich wieder Normalzustand habe.

Selbst dann liegt eine Zukunft vor mir, die noch sensibler geplant werden muss, die damit potenziell auch meine Verbindungen zu anderen wieder fragiler macht. Selbst mit der Vorwarnung, wer ich bin, halte ich den Satz “danke für die Einladung, kann ich vorher die Playlist sehen?” für schwierig, wenn davon eine Zusage abhängt. Weil dafuq pflegt man Freundschaften, wenn zu viele davon in Großstädten wohnen, wo alles immer voll und laut ist und kann bitte jemand auf dem Spektrum ein Franchise aus halbdunklen Bars mit reduzierter Beschallung und Zutrittsverbot für Gruppen größer 5 (bei reinen Männergruppen eher 3) gründen? Mit Abständen zwischen Tischen, kontaktloser Reservierung und minimal dekorierten Cocktails.

Sagt die Frau, die im Sommer selber ein Mega-Fest veranstaltete und natürlich Tickets für Taylor Swift nächstes Jahr hat. Womöglich kam der Ausstieg aus der klassischen Consulting-Karriere gerade noch rechtzeitig, bevor ich zwischen Workshop und Präsentationen den Verstand verloren hätte, wer weiß. Wenn ich von einer Reise zurückkomme, bin ich eine von denen, die auf der Stelle noch den Koffer ausräumt, am besten eine Maschine Wäsche anwirft. Aufgeräumt wird die Wohnung ja schon vorm Verlassen. Dieses schnelle wieder Ankommen, das notwendige Wiederherstellen der Ordnung und Ruhe meines eigenen Refugium, vielleicht ist das mehr Coping als ich es mir eingestehen will.

Ach ja, da war noch was.

Irgendwann in den letzten Tagen, gegen Ende meines seit Wochen andauernden Emergency Room Marathons, kam in einer Folge Yo-Yo Ma’s Version der Cello Suite No. 1 von Bach vor. Eine Version, die ich aber vermutlich für alle Zeit mit einer anderen Serien und einer herausragenden Folge verbinden werde. In der Folge hat Deputy Chief of Staff Josh Lyman eine PTSD-Episode, während Yo-Yo Ma genau dieses Stück spielt. But he was already cooking.

https://youtu.be/E-kj4naK5zs
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The summer I turned human, and alien again

*The one where the drugs don't work

Vermutlich ist das der letzte Cidre für das Jahr in meinem Glas gerade, es ist um kurz nach 8 vollständig dunkel, die Duftkerze hier ist "Matcha Truffel" und die Hot Summer Girls ändern das Hashtag zu Demon Autumn Witch. Ich sitze im frisch umgestylten Schlafzimmer/Home-Office, wo nicht länger eine Wand Bordeaux-Violett und die andere Sand ist, sondern alles Cinder Rose mit einem Streifen in Anthrazit als quasi Abbinder. Keine Schlafhöhle mit offener, etwas wirrer Schrankkonstruktion (der neue Kleiderschrank kommt demnächst, schlicht, hell.), sondern ein Raum, der das ganze Licht, das reinkommt auch zulässt. Wenn schon Metapher, dann richtig.

Der Schreibtisch ist nicht mehr in der Ecke, sondern in der Mitte, direkt vor dem großen Fenster mit Blick auf den Inn. Es fühlt sich schon jetzt anders an, mit Raum links und rechts von mir, nicht mehr als Notlösung, wie beim Einrichten vor 8 Jahren, als ich nicht wirklich darauf spekulieren konnte, dass ich eines Tages fast ausschließlich von hier arbeiten würde. So gut ich es gefunden hätte, damals schon, so richtig war es, dass dieser Abschnitt, diese Abzweigung in der Karriere erst nach diesem Sommer startet. Also mal abgesehen von Pandemie-Hochphasen als alle anderen auch unter Dachschrägen, im Keller, unter dem Hochbett im Kinderzimmer oder im Wintergarten gearbeitet habe

Erst mussten ein paar letzte Dinge geheilt, geklärt, verfestigt werden. Erst musste ich vollständig verarbeiten, dass es Menschen gibt, besondere, kluge, offene, witzige Menschen, die mir Zeit und Aufmerksamkeit schenken, ohne, dass ich mich zurücknehmen oder darum betteln muss. Nicht froh sein, dass ich "dabei" sein darf, sondern explizit der Grund bin, um etwas zu verabreden, in die Wege zu leiten. Gerade jetzt, während die digitalen Netze noch fragiler werden, weil manche den Moment zum Social Media Exit nutzen, andere ihr Glück im baugleichen Start-up ohne Business Plan suchen (sorry Bluesky, aber ich hab zu viel gesehen, um nochmal in eine genauso instabil konzipierte Achterbahn zu steigen. Wenn der Invite-Only Honeymoon vorbei ist, wenn Geld und Aufmerksamkeit hermüssen und die Trolls kommen, erklärt mir gern nochmal wie super es ist.) und ein letzter Teil sich in ganz andere Systeme flüchten. In Discords und TikToks und Whatsapp und Instagram oder wasweißich, ich bin bei den Nerds.

Jetzt habe ich den Faden verloren, weil es geht ja genau nicht um die digitalen Verbindungen, sondern um die, mit denen man ins Kino und zu Cocktails, zum Essen oder Spazieren geht. Mit denen man feiert. Es geht, so schwer es ist, das zu formulieren, um die Nachhaltigkeit des Serotonins aus dem direkten Kontakt, das vorhält, wenn die Bubble, die einem sonst das Home Office erleichtert hat, in alle Richtungen zerstoben ist.

Es gibt nicht die Vokabeln, zumindest kenne ich sie nicht, die nachdrücklich genug sind, um auszudrücken, wie konsequent und tief mein Glaswand-Gefühl zum Rest der Welt immer schon wahr. Selbst wenn man dann endlich einen Begriff, eine Diagnose dafür bekommt, ändert das ja nur bedingt etwas an der Befindlichkeit. Es bestätigt und erklärt und gibt einem zumindest manchmal ein Werkzeug, um anderen klarzumachen, warum man so ist, so kommuniziert. Warum man weiter ausholt als vielleicht notwendig, andererseits aber auch so klar und deutlich, dass sich mancher vor den Kopf gestoßen fühlt. Warum man auf das direkte Feedback, auf die Ehrlichkeit des Gegenübers so angewiesen ist, wie andere vielleicht auf eine Brille oder ein Hörgerät.

Weil Symmetrie so schön ist: Am Ende dieses Sommers steht auch wieder eine von diesen gegenteiligen Episoden. Von einer Umarmung, die die letzte war, obwohl ich es nicht wusste, weil eben diese Ehrlichkeit zu viel verlangt war. Weil stattdessen Zeit und Aufmerksamkeit in Aussicht gestellt wurden, ohne so gemeint zu sein. Weil, trotz full disclosure meinerseits, meine Bedürfnisse souverän wegignoriert wurden. Weil Jahre mit Gesprächen, Momenten und Verbindung sich für manche über einen Sommer hinweg offensichtlich in eine Nichtigkeit verwandeln können. In etwas, so egal, dass der Mensch auf der anderen Seite kein wahres Wort mehr wert ist, man sich dazu zumindest nicht überwinden kann. (Über mein Beuteschema hinsichtlich Menschen, die sich so lange tiefschürfend und empathisch geben, bis Authentizität gegenüber einer verletzlichen Person notwendig wäre, denke ich schon nach, keine Sorge.)

Aber: Mein ich vor ein paar Jahren hätte das gebrochen, unabhängig davon, wie wichtig oder substanziell die Freundschaft gewesen ist, es hätte mich zerrissen und alles grundsätzlich in Frage gestellt. Jetzt steh ich einfach da, mit dieser unendlichen Fragilität menschlicher Bindungen und einem Hirn, das belastbare Daten, verlässliche Zusagen und bekannte Rahmenbedingungen braucht, um nicht komplett zu eskalieren. Jemand legt keinen Wert auf meine Freundschaft - okay, schade, aber kommt vor. Ich erfahre das nicht, sondern muss es mir auf Basis eines Zeitraums ohne Kommunikation zusammenreimen? Error 404. Eigentlich 503, aber das ist ein Insider denke ich. I don't know how the neurotypicals do it.

Find you someone, who takes you to Lea Zapf auf dem Viktualienmarkt.

Beim Blick zurück auf den Sommer, auf so viele unglaublich schöne Begegnungen, Lachen, Sicherheit, wirft es einen Schatten. Weil was davon war echt? Wenn ich bei einer Person nicht kommen sehe, dass sie keinen Kontakt mehr möchte, wer ist dann der nächste, wessen Zuneigung ist resilient und vor allem - welche ist tief genug, dass ich einen Abschied bekäme? Ehrlicherweise muss man an der Stelle sagen: das oben beschriebene Ghosting? Natürlich Geschlecht, das sich selbst gern reden hört, ohne über die eigenen Gefühle sprechen zu wollen. Die beflügelnden Momente: in großer Mehrheit weiblich. Und in noch größerer Mehrheit: Menschen, die selbst genug erlebt haben, mit sich selbst so weit sind, dass sie mit anderen nicht einfach beiläufig umgehen.

Aber kann das mein Lackmustest sein für die Zukunft? Hallo, bist du traumatisiert und therapiert genug, dass ich dir vertrauen kann, oder bist du weg und still, sobald es konkret wird? Midlife Crisis schon durch, noch vor dir oder mitten drin? Daddy Issues, Mummy Issues oder Mann mit Podcast? Sich präventiv erklären verschreckt die Leute nur, das hab ich gelernt. Hi, ich bin clever, witzig, loyal und sehr gut in Krisenzeiten, aber wenn du mich anschweigst, anstatt mir zu antworten, zünde ich vermutlich etwas an. Es wird einem entweder nicht geglaubt oder erklärt, dass man Verständnis für Leute haben sollte. Wo ist mein Verständnis, wo ist die Inklusion, hm, HM?

Entsprechend verschwommen ist der Blick nach vorn. Ja, die Basis ist besser, viele von den alten Narben sind geheilt, aber in den oberen Stockwerken bröckelt es. Die Frühstücksbegleitung ist in die Wildnis gezogen, die digitale Bubble hat keinen gemeinsamen Pausenhof mehr und meine nun konsequente Homeoffice-Existenz birgt auch die Gefahr der allzu heimeligen Isolation. Seit über 20 Jahren finde ich "meine" Menschen entweder im Büro oder im Internet und als Mensch, der Smalltalk nicht begreift und lieber gleich zum interessanten Teil (obsessive Leidenschaften, komplexe Meinungen, Trauma in Form von humoristischen Anekdoten) kommt, findet man auch da nur genug Zeit dafür.

Ich bin unendlich dankbar für diesen Sommer, für diese Menschen. Die Wärme wird mich mindestens durch den Herbst und Winter bringen. Vielleicht, mit etwas Glück, ist es auch genug Energie, um hin und wieder die Hand auszustrecken, in der Hoffnung, dass jemand ein Stück Weg mitgehen will. (Also nicht nur, wenn Taylor Swift wieder irgendetwas tut, das man sich ansehen oder worüber man reden kann. Nein, ich lerne jetzt nichts über Football, es hat alles Grenzen.)

Während der Pandemie dachte ich, wenn die Einschränkungen vorbei sind, aber dann. Sex, Drugs, Rock'n'Roll. Sagen wir so: Für Afterpartys fehlt mir die Beinarbeit, Dating-Apps sind auch ohne romantische Ambitionen ein Weg in die Depression und nach ersten zarten Versuchen bestätigt sich, dass meine Konstitution auch gegenüber mikrodosierten Dingen (zumindest in der legalen 1D-Variante) komplette Ignoranz zeigt. Aber hier laufen die Tests noch.

Aber mal was anderes, jemand Interesse an einem virtuellen boozy Bookclub? Ich sehe mich mehr mit Rotwein über Smut sprechen, als beim Trommelkreis auf LSD.

https://www.youtube.com/watch?v=tkyP6Guxvyw
I feel lighter than I have in so much time
I've crossed the border line of weightless
One deep breath out from the sky
I've reached a rarer height now that I can confirm
All our weight is just a burden offered to us by the world

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Thank you for being a Goth

*Or how to stumble upon friends and terrify people

Dieser Blogpost kommt in 3 Teilen, nur einer davon ist ein Rant.

Teil I : Breakfast Schnapsideen

Picture it: Wasserburg am Inn, der nasse, unschöne Winter 2022. Zwei Freundinnen sitzen einmal mehr seit 3 Stunden beim Frühstücken im heimeligen Lieblingscafé. Man fabuliert so vor sich hin, hat generell wenig Highlights vor sich, eher Tumulte. Jobs sind anstrengend, Männer sensibel, die Welt an sich nicht so glamourös, wie man sich das wünscht. Es sollte, kommt man überein, mal wieder was passieren. Nach all den Zoom-Geburtstagspartys, den nicht passierten Feierlichkeiten im Lockdown, den versäumten Jubiläen und lange nicht mehr gesehenen Menschen, es wäre doch Zeit, dass sich etwas rühre, ist es nicht? Eine Party sollte her, eine ordentliche.

Dear Reader, was nun klar sein muss, ist, dass wir hier von mir und der reisefreudigen, hospitality-spezialisierten extrovertierten, Barkeeper-Freundschaften-schließenden J. sprechen, quasi der singuläre Mensch auf der Welt, der noch mehr als ich zur Fraktion "dann machen wir das halt" gehört. Sie wissen ja, introvertierte Leute wie ich (Untertreibung des Jahrzehnts) gehen nicht los und schließen Freundschaften, wir werden von Exemplaren wie dem oben beschrieben identifiziert, für gut befunden und adoptiert. Das passierte in diesem Fall vor etlichen Jahren über Social Media, als die J. feststellte, dass wir gar nicht weit weg voneinander wohnen. Dazu, verehrte Leserschaft, muss man wissen, dass dieses Privileg, eine echte, fantastische, Abenteuer-stiftende Freundschaft in greifbarer Nähe zu haben, für mich eine quasi neue, im Nachhinein betrachtet, absurd erhebende Erfahrung war. Irgendwo auf dem Weg fanden wir zu unserer kleinen Tradition der Frühstücke im Café bei mir gegenüber, das mit den besten Torten diesseits von Wien (die Chefin hat im Sacher gelernt) und dem wunderbarsten Chef-Kellner der Welt. Meistens am frühen Vormittag eines Wochenendtages trafen wir uns dort und während wir uns durchs Frühstück (meistens eines geteilt, bevorzugt die Variante mit Lachs und Rührei mit Pesto), etliche Getränke (neben Kaffee z.B. den Smoothie des Hauses mit Ingwer und Karotte) und später natürlich Torte sowie mindestens eine der vielen Spritz-Varianten (Johannisbeer, Minze, Zitrone-Ingwer) arbeiteten, informierten wir uns gegenseitig über den Stand der Dinge. (Jobs, Männer, Kinder, Social Media Aufreger, anstehende Events.) Sie ahnen wie fix da 6 Stunden rumgehen können.

Wo war ich? Richtig, Festivitäten. In den before-times, wie ich sie jetzt gern nenne, war 2019 sogar noch ein Highlight-Jahr gewesen, mit mehreren Geburtstagsfeiern, dem legendary Rosenfest und anderen schönen Gelegenheiten. Dann kam 2020 und nun ja, Sie wissen schon. Die J. hatte einen Meilenstein-Geburtstag mitten im Lockdown via Videokonferenz gefeiert, da aber eine Rum-Pistole und andere Props involviert waren, ist sogar der eine Legende. (Damit sollte klar werden, was für eine Qualitätsperson die J. ist.)

Jedenfalls, wir erinnern uns, 2018 hatte ich ja auch mal meinen Geburtstag gefeiert, fand das sehr schön und hatte auch immer mal vor das zu wiederholen. Es war also alles in allem überfälligst. Tatsächlich trug ich bereits seitdem eine kleine Sammlung an Mottos und Überschriften für zukünftige Parties mit mir herum. Als ich der J. nun den Satz "Last Night Of The Goths" hinwarf, traf ich auf funkelnde Augen und besiegeltes Schicksal. Jawohl. Ein rauschender Vampir-Sommerball den niemand schnell vergessen würde, so wahr wir der Stammtisch Feministisches Tortenessen waren! (Wir haben, siehe der erwähnte beste Kellner der Welt, mittlerweile ein eigenes Schild.)

Es war der Startschuss eines Projekts, das uns die nächsten 6 Monate beschäftigen würde. Größte Herausforderung war schnell das Thema Location, schließlich würde alles eine gewisse Größe haben und wir wollten zumindest die Option darauf haben bis ins Morgengrauen zu feiern. Es stellte sich heraus, dass eine nicht kleine Anzahl von netten Lokalitäten für den Sommer, wenn nicht das ganze Jahr 2023 bereits ausgebucht waren. Es war eher Zufall, dass ich am Ende über das Tonwerk in Dorfen stolperte, ein etwas abgelegenes Event-Gelände - mit exakt allem, was wir brauchten. Nachdem wir die Kalender mit bekannten Einladungen, Festivals, Meetups, sportlichen Großereignissen und der Verfügbarkeit des Tonwerks abgeglichen hatten, stand schnell fest, dass es nur der 22. Juli 2023 sein konnte. Mit genug Hoffnung für durchgehende Outdoor-Aktivitäten, aber einer Option für drinnen. Die großartige Betreuung durch Kathi, die ansässige Event-Managerin, tat ihr Übriges, als wir im Februar endlich alles besichtigten. Meine Schwester wurde Augenzeugin, wie die J. und ich beim Bestaunen der Halle, der Terrasse und des wirklich idealen Geländes auf noch viel wildere Ideen kamen. Kerzen, Glitter, ein roter Teppich? Auch das Team vor Ort war Feuer und Flamme, weil zwischen pastellfarbenen Hochzeiten und Firmenfeiern standen da zwei komplett wahnsinnige Damen vor ihnen, die von Vampiren, gothic Vibes und "am besten alles in Samt" fasselten. (How to win over your Event-Team: Be really crazy.)

Es begann die Zeit der Listen. Inklusive eine Liste mit allen Listen, die wir brauchen würden. Website, Gästeliste, Essen (die Grillbuffet-Optionen des Tonwerks hatten uns schnell überzeugt. Inklusive vegetarischen Varianten, Raum für Sonderwünsche und hervorragendem Wein. ), Musik (!), Deko (!!). Wie das halt so eskaliert, wenn zwei perfektionistisch veranlagte Frauen mit Freude an Theatralik planen. Ich reservierte die Domain auf die Endung .party, wir feilten am RSVP-Fragebogen (Anfahrt, Hotelwünsche, Essenseinschränkungen, etc.), an den Einladungen (mehr Schnörkel!) und verschickten ein 'Save The Date', um Menschen frühest möglich in Panik zu ersetzen.

Das Tolle an einer langen Party-Vorbereitung ist auch, dass man schon lang vorher spannende Rückmeldungen bekommt. Fragen und Outfit-Ideen zum Dresscode, die Irritation wo zur Hölle das alles ist, ob wir heiraten und ob wir den Verstand verloren haben. Wirklich, ich kann das empfehlen. Finden Sie eine Person, mit der man absolut absurde Dinge konsequent durchziehen kann, deren Ansprüche fast noch höher sind als die eigenen, mit der sie sich die Aufgaben gut aufteilen können (die Autistin macht den Orga-Kram, die VIP-Lounge erfahrene Success-Managerin das Kreative) und es wird nicht aufhören Spaß zu machen. Versprochen. Nicht von plötzlichen Plot-Twists, Lebensplanänderungen und anstehenden neuen Jobs oder Wohnorten irritieren lassen, das kann man noch danach betrauern.

Es wurden Kleider bestellt, eine Band ausgesucht, der bekannte Action-Fotograf angefragt und über Cocktails diskutiert. Auf Gin kann man sich halt einigen. Der beste Kellner der Welt, der bei weiteren Frühstücken langsam eingeweiht (und natürlich eingeladen wurde) war am Ende vielleicht der einzige, der sich nicht ganz so wunderte, wie sehr Dinge ausarten können. Ach ja richtig, eine Torte wurde natürlich auch geordert. Nicht irgendeine Torte, eine Goth-Torte. Ich schlug mit einem Mood-Board bei der Chefin auf, das mehrstöckige Kunstwerke in Schwarz und Violett, mit Gold, blutroten Blüten oder Spitzen-Deko zeigte. Auch hier: Endlich was anderes! Keine Hochzeitstorte, kein rosa Taufkuchen, eine Herausforderung, es wird Blattgold geordert! Es ist eine meinem größeren Freuden, Menschen, die so gut und kreativ in ihren Jobs sind zu sagen, dass sie doch bitte einfach machen sollen, weil ich vollstes Vertrauen in ihr Urteil und ihre Fähigkeiten habe. Vor allem, wenn sich herausstellt, dass man derart recht hat.

Kurz nach Ostern hatten wir die Einladungen in Form von Postkarten (richtiges Papier!) verschickt, jeweils mit dem Link zur Website bzw. dem RSVP-Formular. Hier trennte sich die digitale Spreu ein bisschen vom Weizen, sind es doch erstaunlich viele, auch nach 1990 geborene Menschen, die derlei Prozedere nicht kennen oder bedienen wollen. So gab es erste enthusiastische Anmeldungen, konstruktives Feedback zum Fragebogen, ein Hashtag (#LNOTG) und ganz, ganz viel Vorfreude. Which brings me to.

Teil II: Weaponized Incompetence (ein Rant)

Schon beim Arbeiten an der Website war mir klar, dass die RSVP-Deadline für manchen eine Herausforderung werden dürfte. Ich ergänzte also ein kleines Feld, in das man sich eintragen konnte, um daran erinnert zu werden. Die ADHS-Crowd war begeistert, im Laufe der Wochen von April bis Juni schlossen sich schnell die meisten Lücken in Sachen Rückmeldung. Mit dezidierten E-Mails vom eigens für die Feier eingerichteten Konto an die Gruppe der ausbleibenden Antworten, konnten wir schnell sicherstellen, wer seine Postkarte nicht bekommen oder das Prozedere nicht verstanden hatte. So war irgendwann klar, dass alle, die Bescheid wissen sollten, auch Bescheid wussten und ihnen bewusst war, warum eine ordentliche Antwort, wenn auch informell für uns wichtig wäre.

Mal ganz abgesehen von generellem Anstand, Höflichkeit und Respekt gegenüber den Gastgeberinnen.

"Weaponized incompetence" ist ein Begriff, den ich lieben gelernt habe, weil er eines der schlimmsten Konzepte, die einem als Frau widerfahren kann, sehr schön auf den Punkt bringt. MÄNNER DIE SICH DUMM/ UNFÄHIG STELLEN UND GLAUBEN DAMIT DURCHZUKOMMEN.

Es waren am Ende 7 Herrschaften, die ihre Einladungen nachweislich bekommen hatten, sogar vereinzelt mit großer Freude. Wenn ich sage Herrschaften, meine ich Herrenschaften. Sogar ein ganz bemerkenswerter Cluster an gemeinsamen Demographie-Eigenschaften lässt sich hier zuordnen. Männer, über 40, Hetero, in verantwortungsvollen Berufen, in denen von ihnen gleichermaßen Verbindlichkeit wie Kommunikationsfähigkeit verlangt wird. Männer, denen wir entweder im Umgang oder sogar via Social Media zusehen konnten, wie sie unsere Einladung ignorierten, aber andere Dinge fröhlich ab- oder zusagten, Anreisen planten, Vorfreude bekannt gaben. Männer, die sich nicht zu blöd waren uns dann auf den letzten Metern peinliche, unglaubwürdige, schwache Ausreden aufzutischen, warum sie nicht in der Lage dazu waren ja oder nein zu sagen.

Well I call bullshit.

Das wichtigste für Männer in einem Patriarchat ist das Ansehen und der Respekt durch andere Männer. Sie nehmen einiges auf sich und legen sich bei Bedarf überdurchschnittlich ins Zeug, um hier Anklang zu finden. Sie wissen auch, dass Unzuverlässigkeit, Larmoyanz, Passivität und Unentschlossenheit durch die fellow men zur Kenntnis genommen und in der Hierarchie abgestraft werden. Einladungen von Männern, mit Männern an Männer - natürlich reagiert man da, es steht schließlich das soziale Kapital auf dem Spiel.

Einladungen von Frauen? Womöglich sogar noch mit Dresscode, albernen Mottos und überhaupt nicht der Ernsthaftigkeit von was auch immer Männer miteinander tun - ach, nun. FRAUEN VERZEIHEN JA. Frauen rollen mit den Augen oder schütteln den Kopf, aber dann lächeln sie, weil ihre kleinen Idioten mal wieder zu dumm, zu schwach waren, um VÖLLIG GRUNDLEGENDE HÖFLICHKEIT UND MINDESTANFORDERUNGEN zu erfüllen.

Ich bin so, so durch mit euch.

Ist euch klar, wie wahnsinnig unglaubwürdig ihr euch macht? Ist euch klar wie absurd es wirkt, dass ihr auf Rechte und Verantwortung pocht, aber es euch nicht peinlich ist zu sagen, dass ihr euch vor solchen schlimmen Aufgaben wie einer Antwort auf eine Einladung gerne mal versteckt und hofft, dass es vorbeizieht? Was, ohne, dass wir es merken? Oder denkt ihr allen Ernstes es ist 1963 und erwachsene Frauen betrachten die Männer in ihrem Umfeld weiterhin als Erziehungsauftrag? SAGT MAL HACKT´S?

Eure Social-Media-Feminismus-Performance ist mir so derart egal, solange ihr es nicht schafft, die Frauen, die vor euch stehen als vollwertige Menschen zu behandeln, deren Zeit und Aufwand zu würdigen sind. So eine Einladung ist ein Privileg, ein Nachweis, dass man euch für eine wertvolle Addition zu einer solchen Gelegenheit sieht. Gleichbehandlung startet vor eurer Nase, ihr inkonsequenten Poser.

WIR LASSEN UNS NICHT LÄNGER FÜR DUMM VERKAUFEN.

Aber keine Sorge, bei der nächsten Party werdet ihr euch diese Sorgen nicht mehr machen müssen.

Teil III: My Hat is off, won't you stand up and take a bow

Wie man hier lesen konnte, hatte ich verlängerte Sommerferien und so lag Samstag, der 22. Juli nicht einfach am Ende einer Arbeitswoche, sondern es konnte ausreichend darauf hingefiebert werden. Das Kleid holte ich erst Tage vorher bei der Änderungsschneiderin ab, die Co-Gastgeberin orderte immer noch Deko und wir hibbelten zusammen mit den Gästen, bei denen bis kurz vor Schluss nicht klar war, ob sie Zeit haben würden. Sie müssen sich das Hosting-Duo in der Woche der Party im Delirium vorstellen, mit mitternächtlichen Nachrichten zum Thema Trockenblumen, Vampirkarten und dem schwarzen Teppich, den ich bestellt hatte. Ab Freitag dann die ersten Reisemeldungen via Social Media. We're actually doing this. Ich rauschte durch einen Drogeriemarkt, um die Toiletten vor Ort mit Sonnenschutz, Blasenpflaster und Kajalstiften auszustatten, die J. bestellte mehrere hundert Kerzen und ich übte das mit den falschen Wimpern.

Und dann war plötzlich Samstag. Das Wetter war uns hold - es sollte einer der wenigen perfekten Juli-Tage werden und es ist mir egal wie viele Karma-Punkte es mich gekostet hat.

Wir trafen uns Vormittags an der Location und stellten die letzten Deko-Details sicher. Meine Schwester verliebte sich in den Bunsenbrenner, mit dem sie die Kerzen sicher im Leuchter anbrachte, ich in den schwarzen Teppich, der ausgerollt exakt an der Halle entlang führte und wir zusammen in die großartigen Foto-Optionen, die wir uns ausgedacht hatten. Das Engelsflügel-Mural war schon da, wir ergänzten den thronartigen Samt-Sessel (beim Gang durch die Deko-Welt hatte unsere Event-Managerin ernsthaft erzählt, dass wir die ersten waren, die Gefallen daran fanden. Skandal!) und ein Set-up für die Gästebücher.

Zurück nach Hause und Blitz-Aufhübschen. Kleid, Haare, Nägel, the works. In voller Montur bestieg ich nachmittags den Bus zum Tonwerk. (Bus ist großzügig an der Stelle, weil eigentlich ist es ein Kleintransporter, der die Strecke von Wasserburg bis Dorfen bedient.)

Vort Ort waren die ersten Gäste schon parat, hatte sich eine Gang aus Berlin doch schon am Tag davor auf den Weg gemacht und bei J. eingenistet. Wir hatten auf der Einladung den Beginn auf 17 Uhr gelegt und damit gerechnet, dass es locker eine Stunde dauern würde bis der Großteil da war. Aber das sind natürlich nicht unsere Freunde, nein, sie kamen ab halb fünf in Scharen. Eine hübscher als die andere. In großen Roben, dem kleinen Schwarzen, in Pailetten, mit Fascinator oder in Pink. Zu sehen, dass sogar sonst eher weniger snappy Dresser sich herausgeputzt hatten, dass Menschen aus allen Richtungen der Republik bis ins hinterste Oberbayern gefunden hatten und vor allem, dass sie alle Spaß hatten - mein Herz kann das immer noch nicht ganz fassen. Viele hatte ich schon so lange nicht mehr gesehen und auch unter den Gästen war die Wiedersehensfreude oft groß.

Um hier noch ein bisschen zu würzen, bekam jeder Gast beim Eintreffen ein Kärtchen mit einem zugeordneten Untoten aus der Popkultur-Historie, so wurden Gruppen gebildet. Den Eingang übernahmen die schicken, absurd gut erzogenen Söhne der J. und hielten sich sogar ganz brav an ihr 1-Drink-pro-Person Gebot. Also fast. Aber das kommt vor. Ach richtig, die Drinks! Es gab einen blutroten "Bella" mit Limoncello, Gin und Grenadine und den giftgrünen "J." mit Basilikum, Limette und Gin. Dazu noch einen Aperitiv, einen Spritz mit Beerenschaum nach Art des Hauses - alles auch in der alkoholfreien Variante.

Wir baten die Gäste erstmal hinein in die Halle, wo dekorierte Tische auf sie warteten und wir sie gemeinsam begrüßten. Ich gebe zu, ab da wird es mit der chronologischen Erinnerung schwierig, so viel Glückshormone, Adrenalin und Gin schoss an dem Abend durch meine Adern.

Wir eröffneten das hervorragende Grill-Buffet und ich bemühte mich nach Kräften überall Hallo zu sagen. Was sich schnell als großer Glücksfall erwies, war das Team vor Ort. Jeder, aber auch jeder Gast machte ihnen im Laufe des Abends Komplimente, so nett, zuvorkommend, umsorgend und grandios war die komplette Tonwerk-Gang. Wie der Chef am Grill mir später erzählte, waren wir aber auch für sie eine willkommene Abwechslung und im Vergleich zu mancher Firmenfeier angenehme Gäste. Well I do know the best people. Die Drinks rotierten, auch Vegetarier und Allergiker wurden satt, es stand jederzeit auch Wasser parat.

Wie gesagt, ab jetzt wird es holprig mit Reihenfolgen. Der befreundete DJ befeuerte die Halle und als es sich nach dem Essen alles langsam nach draußen verlagerte, hatten wir so idealen Hintergrund-Sound für fantastische Gespräche. Damit es aber nicht alles so dahin plätscherte, riefen wir den Gästen kurz darauf zu, dass sie sich bitte anhand der ihnen zugeordneten Vampire in Gruppen einfinden sollten. Was ich mir als geordnete Veranstaltung mit Einweisung vorgestellt hatte, verwandelte sich aber selbstverständlich in Comedy-Gold. Wir hatten auf Stehtischen im Saal Abbildungen der Vampire mit einer kleinen Aufgabenbeschreibung platziert, um hier eigentlich Gruppen zu bilden, aber spätestens als eine Gästin, das Vampirbild wie eine Monstranz vor sich hertragend "kennen Sie diese Frau?" skandierte, um so die restliche Gruppe einzusammeln, gab ich das mit der Organisation auf. Die Aufgabe für jede Gruppe bestand in einem Gruppenbild, den Einträgen ins Gästebuch und einer kleinen Fotostory, in der ihr bevorzugter Vampirfilm dargestellt werden sollte.

Wir hatten im Vorhinein selbstverständlich viel Spaß daran uns zu überlegen, welche Menschen in eine Gruppe gehören und sich eh mal kennenlernen sollten. Schließlich trafen hier die regionalen Freundschaften auf die Internet-Menschen, Kollegen auf Familie und langjährige Gefährten auf unbekannte Gesichter. Was für ein Geschenk so viele fabelhafte Menschen zu kennen.

Natürlich wurde es kreativ, chaotisch und so, so herrlich albern. Man wischte sich Lachtränen aus den Augen, was dem Kajal ums Auge noch mehr Dramatik verlieh, ich glaube, ich habe die Mundwinkel nicht mehr nach unten bekommen. Apropos anstrahlen.

"Find someone who looks at you, the way we looked at diese Torte." schrieben die J. und ich Tage nach der Feier fast parallel beim Blick auf die Bilder. Und wer würde diese Schönheit nicht anstrahlen? Kurz vorher waren auch die Chefin vom Café und der beste Kellner der Welt eingetroffen und konnten so einmal live Zeuge werden, wie eine staunende Gesellschaft ihrer Kreation huldigt. Ist sie nicht die schönste Torte der Welt? Oben Cranberry-Schokolade, darunter Buttermilch-Zitrone und schließlich Joghurt-Waldbeere umhüllt von so viel Kreativität und dem grandiosesten Topper der Welt - mit Kerzen, die man anzünden konnte! Wir waren selig. Die Torte, so erklärten wir auch den Gästen, war auch ein kleines Symbol. Dafür, dass man nicht heiraten oder einen runden Geburtstag feiern muss, dass Freundschaft und die Menschen, die man mag, manchmal auch völlig ausreichend sind, um ein rauschendes Fest zu feiern. Und dazu gehört unabdingbar auch eine Torte.

Schönste Torte der Welt. Ja, da steht "Happy Gothday"

Ich glaube, ich habe mich in wenigen Momenten so sehr in der Welt, als Teil davon gefühlt, wie beim Anschneiden der Torte mit der J.

Später berichteten Gäste sehr stolz, dass sie sich durch alle Schichten und vereinzelt sogar auch einen Mousse au Chocolat - Boob (wie wir sie nennen) probiert hatten. Wobei vielleicht das größte Kompliment kommt von "sonst nicht so Torten"-Essern, die unser Prachtstück wirklich gelobt haben. Jedes Lob wurde natürlich weitergegeben.

Ein bisschen leid muss einem an der Stelle die Band tun, die ganz fantastisch war, aber es mit einer Gästeschar im frischen Tortenkoma und mit großer Lust am Draußensitzen zu tun hatte. Umso enthusiastischer tanzte und feierte der harte Kern vor der Bühne. Ich frage mich immer noch, was ich die ganze Zeit getan habe, weil ich gefühlt mit keinem der Gäste genug geredet habe, aber gleichzeitig ständig mittendrin war. Ist das so für neurotypische Menschen? Es war fast Mitternacht als die allerersten Gäste aufbrachen und ich mich über jeden einzelnen von ihnen quasi von vorne freute. Wer alles gekommen war! Der harte Kern allerdings, wie es so ist, hielt durch. Zwischenzeitlich startete ein neues Team an der Bar, auch das versorgte uns bis kurz vor Sonnenaufgang mit Getränken, während wir immer noch da saßen und lachten. Es war dann kurz vor 5 als der letzte Münchner den ersten Zug zurück in die Landeshauptstadt nahm und das restliche Knäuel aus besuchenden Hauptstädtern und Gastgeberinnen ein Taxi rief. Vorher wurden Tortenreste und Gästebücher eingesammelt, über Dorfen dämmerte es schon.

Es waren entsprechen schon die frühen Morgenstunden, als ich, immernoch zu 60% bestehend aus Glitzer, in der großen Robe die Treppen hochrauschte, einen mir unbekannten Nachbarn dank viel Eyeliner vermutlich zu Tode erschreckte und immer noch nicht fassen konnte, dass das alles tatsächlich passiert war.

Dieser ganze Sommer, der sich so nach Ankommen und inmitten von anderen Menschen existieren angefühlt hatte, die vielen kleinen glimmenden Momente, gekrönt von einem surreal schönen Abend, mit den besten Menschen, dem besten Essen, den besten Getränken, der besten Musik und der besten Bestätigung, dass ich hier sein darf.

In den Tagen danach, die E-Mails, Nachrichten, Bilder - all die Energie, immer noch aus allen Richtungen. Erinnerungen, für immer gefüllt mit Wärme. Wie ein Podest auf dem man steht und in die Ferne, in die Zukunft sehen kann. See you at the next shindig.

Credits:

P.S. Manchmal kommt jemand und heilt etwas, von dem man nicht wusste, wie sehr es kaputt war. So ein freundlicher Tornado, der einen mitreißt ins Abenteuer, direkt vor deiner Haustür. Es sollte nicht so überraschend sein, dass eine strahlende Naturgewalt dann irgendwann weiterzieht, vielleicht grade dann, wenn es am schönsten ist. Gerade dann, wenn man sich daran gewöhnt hat, wie gut es ist. Ob jetzt 500 oder 800 km, es ist einerseits zu weit, aber andererseits bist du nicht weg. Ich bin so froh, dich Freundin nennen zu dürfen.

Thank you for being a friend
Traveled down the road and back again
Your heart is true, you're a pal and a confidant