24 Letters – Brief 3

Ja ich weiß, es fehlt einer, das hat Recherche-Gründe, wird nachgereicht. Was es mit den 24 Briefen auf sich hat, steht hier.

Jemand möchte dich als Mentorin haben, wofür? Was für eine Person würdest du gern beraten auf einem Weg, professionell oder anders? Welchen Ratschlag hat dir jemand mitgegeben, den du weitersagen würdest?
#24letters – Brief 3

Worin ich offensichtlich gut bin, ist anderen Leuten Fragen stellen, die der Person Kompetenz, Intelligenz und/oder Erfahrung unterstellen, nur um erst anschließend drauf zu kommen, dass ich das auch beantworten können sollte und, nun. Ich habe keine besonderen Fähigkeiten, kein dramatisch spezifisches Wissen und meine didaktischen Fähigkeiten sind angesichts meines kurzen Geduldsfadens auch so eine Sache.

Jetzt habe ich das große Glück, dass ich in meiner Umgebung durchaus auch jüngere Menschen habe, wenn auch überdurchschnittlich intelligente, was die Sache und die Freundschaft extrem vereinfacht. Oh Gott klinge ich gerade elitär. Es ist halt auch so, wenn ich darüber nachdenke, was mich oder meine, puh, Erfolgserlebnisse ausmacht, dann komme ich auf bestimmte Eigenschaften, die ich aber anderen gar nicht mal zu sehr wünsche. Aushalten können, Resilienz, nicht genug Filter, um Leuten nicht auch in heiklen Situationen die Wahrheit zu sagen.

Gerade wenn ich auf meinen beruflichen Werdegang schaue, hat das so viel mit Sturheit, es selber können wollen und nicht auf andere warten können zu tun. Projektmanagerin, aber als Diagnose.

Aber mal der Reihe nach.

Wofür wäre ich eine gute Mentorin? *hilfloses Gestikulieren*

Wenn ich etwas kann, dann Muster erkennen. So viel mir bei Menschen „zwischen den Zeilen“ entgeht, ich kann schnell sagen, was ihnen wichtig ist, wofür sie stehen, wie sie sich verhalten, wenn es darauf ankommt. Das führt dann dazu, dass ich Leuten eben auch erklären kann, worin sie gut sind, was ihre Leidenschaft ist und wie sie das einsetzen können. Ich bin so eine Art analytischer Cheerleader. Tatsächlich habe ich einen dazu passenden Skill, wenn es um das Aufmotzen und Hochpolieren von Lebensläufen und Bewerbungsschreiben geht. Mit bemerkenswerter Erfolgsquote. Wirklich, ich habe Testimonials. Karriere-Mentoring für Menschen, die sich unterschätzen.

Plus, ich schätze aufgrund meines eigenen Werdegangs: Wie man die Spur wechselt, sich nach vorne arbeitet ohne automatisch die Hierarchie hinauf zu wandern, wie man mit etwas Geduld die Nische findet. Some place is gonna find your kind of weird an extremely good fit. Vielleicht ist es das, was mich die Zähigkeit gelehrt hat. Ich bin zu kantig für die Corporate Karriereleiter, also musste ich mich einer kleineren Gang anschließen. Jetzt bin ich Teil eines dramatisch neurodiversen unglaublich fähigen und frei von Profilneurosen agierenden Teams, dem man zwar die Arbeitsmittel des 21. Jahrhundert erst noch näherbringen muss, aber genau deswegen scheine ich da gut hinzupassen.

Für wen wäre ich eine gute Mentorin? Herrje.

Das erklärt sich dann ja von selbst, für alle außer durchschnittliche weiße Männer. Sorry, ich arbeite in der IT und die Anzahl von gottverdammten Werksstudenten, die bereits ihre Management-Karriere planen, hat mich zynisch gemacht. Um mich herum sind all diese unglaublich klugen, kompetenten, engagierten Frauen, die oft auch noch den Rundumblick und die Verantwortung haben, um Führungsaufgaben zu übernehmen und der Weg dahin ist nach wie vor so verdammt steinig. Wir sollen zwar mit „weiblicher Intuition“ (BLERGH) Zwistigkeiten lösen, aber wehe, wir wollen das als Chefin tun, dann sollen wir ja eher nachsichtig sein. Channel your inner bad bitch, sag ich und genau dazu würde ich anleiten. Nichts überschätzen gerade junge Frauen so oft wie den Anteil an Männern, der klüger ist als sie.

Wenn ich furchtbar spezifisch werden sollte, dann natürlich fellow neurodiverse Weirdo-Girlies mit absurdem Potenzial und genau darum auch solchen Schwierigkeiten mit dem System. Das Ding mit dem Hyperfokus ist ja im Grunde der Traum aller Arbeitgeber, aber nur, wenn man es auch versteht und die Leute so arbeiten lässt. (Ja, ich bin die nervige Person, die gern auf arbeitsrechtliche Vorschriften hinweist und Leute anstachelt, das auch einzufordern. )

Aus der Sicht eines alten Millenials, irgendwo im Niemandsland von „theoretisch schon erwachsen, aber die Lage nicht mal annähernd im Griff“ ist man plötzlich das Middle Child der Lohnarbeitswelt. Hinter uns sitzt GenX, die denken „mal schnell den Telefonhörer zur Hand nehmen“ würde Probleme schneller lösen als ordentliche Prozesse, vor uns turnt GenZ, die diese ganze Sache mit dem Kapitalismus, dauerhaften Arbeitsverhältnissen und generell überhöhter Identifizierung mit dem eigenen Job in großen Teilen eh gar nicht wollen. Wir spekulieren auf die demographische Kurve, die mit etwas Druck hoffentlich dafür sorgt, dass sich die miserable Lohnentwicklung doch noch ein bisschen fängt, während wir aber bis fast 70 arbeiten müssen. Für Arbeitskampf sind wir fast schon zu müde, aber wir supporten die Antiwork-Jugend gern mit Hashtags oder so.

Ich sollte aufhören, bevor ich ins ranten komme. (Ich weiß es wäre komplett on brand, aber ich versuche an mir zu arbeiten was das angeht. )

Ob mir mal jemand einen wirklich guten Ratschlag mitgegeben hat? Ach naja.

Wenn ich so darüber nachdenke, sind mir mehr Sätze von Lehrer*innen im Gedächtnis geblieben, als irgendetwas, das Vorgesetzte oder Kolleg*innen so gesagt haben. Vielleicht tue ich mich darum auch so schwer mit der Frage. Ich hatte professionell wie privat immer auch Menschen um mich herum, die mir nette oder aufmunternde Dinge gesagt haben, aber mein Potenzial, meine Ziele, meinen Weg, die musste ich schon allein finden. Das ist auch so ein Frauen-Ding. Wir sind an vielen Stellen noch nicht genug, um uns gegenseitig nach oben zu ziehen. Ich hatte männliche Kollegen und Chefs, die mir durchaus gute Arbeit unterstellt haben, aber so wirklich gepusht, gefordert oder gefördert? Eher weniger. Im Gegenteil, wann auch immer ich derlei eingefordert habe, war man(n) eher irritiert. (hier denken wir uns jetzt das lange Essay über Kommunikationsschwierigkeiten von Autist*innen, die gerade, weil wir klar und eindeutig formulieren, oft nicht wahrgenommen werden.)

Ich habe auf meinem Weg schon auch viel Zuspruch und Bestätigung bekommen. Oft sind es die anderen eher…ungewöhnlichen Menschen, die erkannt haben, worin ich gut bin. Womöglich ist das der Punkt. Vor vielen Jahren hatte ich eine Vorgesetzte, die gut in bestimmten Kernaufgaben war, aber nicht wirklich für eine Führungsaufgabe eines Teams und schon gar nicht für das übergreifende Arbeiten in einem E-Commerce-Startup gemacht war. Ich hatte schnell einen Draht zum Business Development und Marketing, weil ich deren Vokabular kannte und im Nachhinein hat sie mir vielleicht unterstellt, ich hätte Ambitionen sie zu untergraben. Ich war Mitte 20, habe nix verdient und war weit weg von irgendwelchen Ambitionen.

Jedenfalls, da war eine Kollegin, etwas älter und entspannter als irgendwer sonst in dem Laden. Sie hatte ihr Herz nicht an die Bude gehängt, das habe ich auch von ihr gelernt. Jedenfalls, folgende Kollegin sagte mir damals zwei wichtige Dinge. 1: Sie fand, dass ich etwas kann. Sie mochte meine Texte, dass ich schnell verstanden habe und auch als die „Neue“ mich schnell für das Team eingesetzt habe. 2. „Es gibt Kritik und es gibt Druck. Mit Kritik kann man sich auseinandersetzen, sie zu Herzen nehmen und daraus lernen. Wer dir versucht nur Druck zu machen, hat eigentlich Angst. Und die Angst von anderen kann dir egal sein.“

Lustigerweise habe ich gerade in den letzten Jahren oft auf anstrengende Art gelernt, wie es aussehen kann, wenn Menschen aus Angst und Unsicherheit heraus agieren. Deswegen habe ich womöglich die Fähigkeit entwickelt, Leuten diese Angst zu nehmen. Ha. Wieder was gelernt. Dass ich es immer erst aufschreiben muss, bevor es klick macht.

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