Die Jahreszeit, das Wetter für Abschiede.
Wie anders alles dieses Mal wird. Wie sehr ich mich innerlich von anderen Dingen mittlerweile verabschiedet habe. Wie viel ich gewonnen habe.
Es fühlt sich an, als wären da große schwere Granitblöcke in mir drin, die sich verschieben. Manche rasten ein, haben ihren alten Platz wieder eingenommen. An anderen Stellen klafft eine Lücke. Einer wandert zurück an den Rand, in der Einsicht, wieder nicht den Anschluss an die anderen gefunden zu haben. Ich kann das Kratzen hören, mit dem sie über den kahlen Boden fahren.
Der auf dem „Beruf“ steht, der schon so viele Kratzer und kleine Löcher hat, der ist locker. Er hat sich das ganze Jahr über aus seiner Verankerung gelöst, aber ein neuer Platz ist noch nicht anvisiert.
Das innere Stonehenge, mit der Überschrift „Familie“ hat sich nicht ganz fertig neu angeordnet. Die Reihe hat eine gewisse Unwucht.
Besonders krumm ist der Block auf dem „Menschen“ steht. Er hat Ecken verloren, die Kanten passen nicht zu den anderen und an anderen Stellen wurde quasi angebaut. Er steht sicherer als früher, aber so recht einfügen will er sich nicht. Vom richtigen Standort dafür mal ganz abgesehen.
Überhaupt, Lücken. Lücken wohin man schaut.
Für den Esstisch in meinem Wohnzimmer habe ich zu wenig Stühle. Bis jetzt habe ich behauptet, dass ich erstens ohnehin selten Gäste habe und mich auch einfach nicht entscheiden kann. Ich habe schließlich sehr spezifische Anforderungen an jedes einzelne Möbelstück. Aber manchmal schwant mir, vielleicht wäre ich einfach damit überfordert, wenn so viele Menschen an meinem Tisch säßen.
Ich war doch immer so furchtlos. Und nun? Ist das noch Angst oder schon wieder eine Neurose, ein seltsamer Komplex geboren aus der Differenz zwischen dem perfekten Bild in meinem Kopf und der sehr unperfekten Realität. Wie mein Leben aussehen sollte, wie dicht es darin zugehen müsste und wie viel Platz ich dem großen Nichts tatsächlich nach wie vor gebe. Der Stille, der Regungslosigkeit.
Es ist eine Ewigkeit her, dass ich so viel Geld für Kleidung und Körperpflege ausgegeben habe wie in diesem Jahr. Ein bisschen eitel bin ich selbstverständlich, aber irgendetwas passiert da. Das ist auch einer der Blöcke, die sich verschoben haben. Womöglich schieben sich grade ganz entscheidende Blöcke als innere Stütze an den richtigen Platz. Um sowas wie zwischenmenschliche Normalität demnächst mal wieder auszuhalten.
Aber auch die Erkenntnis: Da fehlen aktuelle ganz fundamentale Dinge, eine innere Aufgabenleere die zum Konsum verführt. Eine Herausforderung muss her und zwar schnell.
Und über allem liegt schon diese Rückblicksstimmung. Als würde man gegen Ende des Jahres nichts Neues mehr anfangen. So ein Blödsinn. Zweimal habe ich Jobs nach dem 1. November begonnen, regelmäßig sticht mich im letzten Quartal der neue-Ideen-Hafer und wenn man dann die ganzen Menschen endlich wieder trifft, mit denen man das ganze Jahr über schon Kaffeetrinken gehen wollte, plant man ja auch Neues.
Die Blöcke sind schwer und ziehen immer träger umher. Die Müdigkeit am Ende eines Jahres das hauptsächlich aus Durch- und Aushalten bestand. Geschafft hab ich nicht viel. Aber den Kopf irgendwie oben gehalten, um den Horizont zu sehen.
Fragen 251-275 (von hier)
251. In welcher Sportart bist du deiner Meinung nachgut?
Gut ist übertrieben, aber ich schwimme doch ganz ordentlich immer noch.
252. Heuchelst du häufig Interesse?
Nein und die Unfähigkeit dazu ist oft hinderlich.
253. Kannst du gut Geschichten erzählen?
Jein. Ich hab keine Ahnung von Spannungsbögen und Timing, aber Beschreibungen und Tonalität kann ich wie ein Profi. Eher so eine Anekdoten-Erzählerin.
254. Wem gönnst du nur das Allerbeste?
Den meisten Menschen, ehrlich.
255. Was hast du zu deinem eigenen Bedauern verpasst?
So manche Chance. Gelegenheiten rechtzeitig zu sagen was ich fühle.
256. Kannst du dich gut ablenken?
Von Dingen, die ich tun muss? Hervorragend. Von meinen eigenen Gedanken? Überhaupt nicht.
257. In welcher Kleidung fühlst du dich am wohlsten?
Jetzt wo ich auf Mitte 30 zusteuere, stellt sich raus: Ich bin ein Kleidchen-Typ. Ich mag wenn es schwingt und schön fällt. Stand jetzt habe ich nicht mal mehr eine Jeans im Schrank, who would have guessed.
258. Wovon hast du geglaubt, dass es dir nie passieren würde?
Ich hatte mich immer als Karriere-Menschen gesehen. Ganz klassisch mit fabelhaftem Studienabschluß (haha), internationalem Praktikum (nö), vielleicht gleich mal Consulting (bin rechtzeitig zur Besinnung gekommen) und nach ein paar Jahren auf dem Weg nach oben. Natürlich im selben Unternehmen. (hahahahahaha)
Seit fast 8 Jahren irgendwie berufstätig und abgesehen von der immer noch vorhandenen Neugier und dem Wunsch danach zu lernen, bin ich fast genauso planlos wie zu Beginn. Nur, dass ich nicht mehr jeden Blödsinn mit mir machen lasse.
Vielleicht war mir selbst ganz jung schon klar, dass ich immer versuchen werde mit dem Beruf das zu kompensieren, was ich privat nicht hinkriege. Den konstanten Freundeskreis, die erfüllenden Hobbies oder was auch immer normale Menschen so tun. Normal.
Wie naiv man sein kann.
259. Würdest du gern zum anderen Geschlecht gehören?
Eigentlich nicht. Aber dieses Selbstbewusstsein, dieses Raum-Einnehmen ohne schlechtes Gewissen, das hätte ich gern. Und ich bin längst kein Mauerblümchen mehr.
260. Wer nervt dich gelegentlich?
Meine eigene Plan-Fixiertheit. Weil ich die Verspätungsminuten im Zug auf den ganzen Weg hochrechne, viel zu viel Zeit für kleine Erledigungen einrechne und eher Sachen absage als versuche sie noch irgendwie reinzuquetschen und darob wohl Gelegenheiten versäume.
261. Über welche Themen unterhältst du dich am liebsten?
Ach, ich lasse mich von Enthusiasmus anstecken. Wenn die andere Person mit Wissen und Eloquenz über Insektenforschung oder mir Cricket erklären will, finde ich das hinreissend. Ich neige zu den Todesarten des Small Talk wie Politik, Geld und Fußball.
262. Kannst du leicht Fehler eingestehen?
Im Job: Ja, weil ich da oft sehr gut nachvollziehen kann wie es dazu kam und wie ich ein erneutes Auftreten verhindern kann. Privat: Nun. Also. Wie soll ich sagen. Nicht ganz so gut.
263. Was möchtest du nie mehr tun?
Mich unter Wert verkaufen. Still bleiben, wenn jemand in meiner Gegenwart diskriminiert wird.
264. Wie ist dein Gemütszustand üblicherweise?
Kennen sie Toby Ziegler?
265. Sagst du immer die Wahrheit?
Immer natürlich nicht. Aber durchaus zu oft.
266. Was bedeutet Musik für dich?
Flucht. Heilung. Momentaufnahme. Ausdruck der Dinge für die wir sonst kein Vokabular haben.
267. Hast du schon einmal einen Weinkrampf vorgetäuscht?
Dafür ist mir Heulen viel zu peinlich. Als Wutweinerin ist das Leben eh schwierig genug.
268. Arbeitest du gern im Team oder lieber allein?
Ich arbeite gern allein für ein Team, falls das Sinn ergibt.
269. Welchen Fehler verzeihst du dir immer noch nicht?
Es sind am Ende ja nicht die Dinge, die man getan hat, sondern die, die man nicht getan hat. Niemandem erzählen wie schwer das Ende des Studiums war. Den Job in der Schweiz nicht annehmen. Nicht ordentlich verabschieden. So oft.
270. Welche Verliebtheit, die du empfindest, verstehst duselber nicht?
Ich würde eher empfand als empfinden sagen, aber selbst im Nachhinein bin ich völlig perplex, wie sehr mir damals dieser Kerl den Kopf verdreht hat. Wo er doch schon eher das Gegenteil von allem ist, was ich an Männern gut finde. Ein völlig übermotivierter Aufschneider dessen Charme oft genug an der Schmerzgrenze entlang schrammte, der per se erstmal mit jeder Frau geflirtet hat, erst recht wenn sie ihm nicht sofort verfallen ist – was dann wohl mein Untergang war. So ein Alpha-Marshmallow, der ständig mit der eigenen Klischee-Erfüllung kokettiert hat. In my defense: Seinerzeit war ich durchaus das Mauerblümchen to end all Mauerblümchen und er hat meinen Spieltrieb herausgefordert. (Sehr, sehr blaue Augen. So blau.)
271. Denkst du intensiv genug über das Leben nach?
Have we met? Wann kommen hier die Fragen für Leute, die zu sehr in ihrem eigenen Kopf leben?
272. Fühlst du dich manchen Leuten gegenüber sehr unsicher?
Manchen? You’re adorable.
273. Bist du autoritätsgläubig?
Ahahahaha.
Nein. Ist aber genetisch.
274. Bist du gern allein?
Jederzeit.
275. Welche eigenen Interessen hast du durchgesetzt?
Gegen wen? Ich glaube, ich entscheide mit großem Selbstverständnis immer erstmal in meinem Sinne. Wenn es auch andere Menschen betrifft, bin ich oft mit einem guten Kompromiss glücklicher als mit meiner Wunschvorstellung.
Im Zweifel kann ich aber auch sehr überzeugend sein. *schwenkt Cocktail-Glas*
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