Drumming sound inside my head

So, wie der Mensch sich nicht wirklich an körperliche Schmerzen erinnern kann, ist er wohl auch sehr gut darin die Berge und Täler zwischen vollkommener Apathie und unkontrollierbarer Emotionalität zu verdrängen. Und wenn ich Mensch sage, meine ich mich. (Hi. Are you new here?)
Fast kam ich mir ein bisschen souverän vor, in meiner verkopften Distanziertheit. Ich fühle nichts – das kann einen Anflug von Überlegenheit herbeiführen. Bis es kippt.
And boy, did it ever.
Kurz vor Ostern kullerten die ersten richtigen Tränen. Naja, dachte ich, verspätete Trauerarbeit. Endlich Bedarf für die Kleenexbox, die meine Schwester kurz nach dem Tod meines Vaters besorgt hatte. (She’s very good in a crisis)

Der Umzug, Stress im Job, es waberte alles unter der Oberfläche vor sich hin. Dann tat es einen Knall. Beginnend mit einer rumorenden Kleinigkeit, auf die ich erst verdächtig empfindsam und schließlich mit einer hysterischen Grundsatzdiskussion reagierte. Schluchzend, nach Luft schnappend, bis die Stimme nicht mehr mitmacht.
Als verkopfter, planender Mensch in eine temperamentvolle, spontane Familie hineingeboren zu werden, kann aufreibend sein. Kann, wenn sie in der Mehrheit sind, das Gefühl verstärken ‚anders‘ oder sogar ‚falsch‘ zu sein. Es beginnt ein Kreislauf, in dem jeder Streit wieder und wieder auf ein- und dieselbe Wurzel reduziert wird. Wie eine gute Sauce, nur die giftige Variante.
Mein Bedürfnis nach Ordnung und Struktur ist infolge seit Jahrzehnten eine Eigenschaft aus der meine Sippe eine gewisse Belustigung zieht.

Aber dadurch, dass genau diese Eigenschaften mich gut in meinem Job machen, habe ich gelernt diese Haltung zu ignorieren. Es auszuhalten, dass diese Seite von mir nicht ausgehalten wird.
Bis das Eis unter mir durchbrach.
Nur, wie erklärt man, dass jetzt, Monate nachdem alles passiert ist man nichts so dringend braucht wie Verlässlichkeit und eingehaltene Absprachen? Wie macht man klar, dass inmitten von so viel Veränderung meine Sehnsucht nach Sicherheit das Einzige ist, an dem ich mich festhalten kann?
Ich will kein gut gemeint, wenn es nicht wahr ist.

Nur auf wahrhaften Dingen kann ich aktuell stehen, Halt finden. Weil immer noch alles so schwankt. Stattdessen blankes Unverständnis auf der anderen Seite, wie ich mich darüber aufregen kann, dass Hilfe mir nicht genau so zu Teil wird, wie ich es mir vorstelle. Dass ich auf Überraschungen, spontante Aktionen und noch mehr Umwälzung verstört bis gekränkt reagiere?
Ich habe doch nicht behauptet, dass es Sinn macht.
(Hier denken Sie sich bitte Chris Martin vor, wie „Nobody said it was easy“ singt.)

Aber auch: Das sind die Menschen, die bleiben. Die immer da sind. Während alle anderen gehen, weiterziehen, Distanz zwischen sich selbst und mir bringen, sobald ich nicht mehr nur lustig und unabhängig bin.
Wie ein boozy Sitcom-Charakter, mit den guten Punchlines. Der sollte keine düstere Storyline bekommen – das macht die Balance kaputt. Niemand will in diese Dunkelheit hineinsehen. Egal, was sie sagen. Lippenbekenntnisse, deren Wahrheitsgehalt am Ende ja doch nur ich kenne. Immer vertrauend darauf, dass ich nicht lärmend durch die Straßen ziehe und anklage, wer nicht da war, als ich gefragt habe.

Zum Teil habe ich mir diese Rolle natürlich ausgesucht. Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf.
Wieso auch jemanden in meine Nähe kommen lassen, wenn mich schon gesund kaum jemand aushält. Natürlich ertragen sie mich jetzt erst recht nicht.
Es ist okay. Nicht gut, aber okay.

Grundgütiger, Melodrama much Bella?
Diese bedingt selbst ausgesuchte Rolle des comic Relief, des Sidekicks – so ganz falsch ist die nicht. Sonst hätten Menschen in meiner Nähe so gar keinen Grund mich irgendwo dabeihaben zu wollen.
Wenn ich für jedes ‚interessant‘, ’speziell‘, ‚außergewöhnlich‘ und ‚besonders‘ das mir in den letzten zwei Jahrzehnten bescheinigt wurden einen Euro beiseite gelegt hätte und für jedes ‚liebenswert‘, ‚loyal‘ oder wenigstens ‚hilfsbereit‘ einen rausgenommen hätte – ich wäre ja seit Jahren auf Weltreise, bitches.

Apropos dabeihaben. Hinten raus nahm die Woche dann noch eine Kurve. Ein bitterüßer Abend mit neuen Gesichtern, mit dem Satz „du bist hiermit aufgefordert dich aufzudrängen“.
Also nehme ich mir vor mich in Zukunft mehr darüber zu freuen, dass es diese Menschen gibt, als mir Gedanken über diejenigen zu machen, die abgebrüht genug sind, um so zu tun als wäre nichts, solange ich weiter lustige Geschichten erzähle.
[Anm. d. Redaktion: Hier haben wir der Autorin zum x-ten Mal einen kryptischen Absatz gestrichen, weil sie es ja endlich lernen muss, dass manche Fragen unbeantwortet bleiben. Anwesenheit not withstanding.]

Vorher für die innere Sicherheit zwei Cocktails statt einem trinken, damit man nicht grob wird oder panisch. Damit nicht schon wieder Tränen fließen oder die ausfallende Impulskontrolle zu fliegenden Gläsern führt. (Fragen Sie nicht.)

Die Suche nach Beständigkeit und Stabilität erstreckt sich dann eben auch auf die Menschen in meinem Leben.
Wo stehen wir, warum reden wir nicht, was sollen diese kleinen Nuggets, die mir da hingeworfen werden, weißt du eigentlich was du tust?
So führt man innere Verhandlungen. Mit denen, die nahe sind, mit denen, die schon lange weg sind und in Zeiten von Social Media vor allem mit denen, die irgendwo im Niemandsland zwischen existieren.

Mit jedem Glas Wein balanciert man näher an Emails, die nie abgeschickt werden sollten, an Nachrichten deren Verzweiflung nicht mehr viel mit dem Empfänger zu tun hat, an Briefen für die man keine Adresse mehr hat. Voller Vorwürfe, die sich angesammelt haben und jetzt drohen in geballter Form an der falschen Stelle zu landen.

I don’t want to put it all on you
but I’m alone now on this battlefield

Das ist alles sehr ermüdend und die Tränen werden trotzdem nicht weniger.
[Nochmal die Redaktion: We tried.]

Es ist nicht gut. Aber wenn es so bleibt, ist es die nächste Lektion.
Was man offensichtlich auch vergisst: Wie fucking obsessiv und gedankenkreiselnd einen die Depression macht. Furchtbar.

Anyway. Törtchen?

Das Ende der Woche traf mich dafür heftigst aus dem Hinterhalt und brachte mit sich eine Instand-Verbindung, wie ich sie schon eine Weile nicht mehr erlebt habe. 6 Stunden lang eines dieser Gespräche führen, mit denen man so gern seine Zeit verbringen würde. Immer. Dazu Kuchen, Curry und Wein. Mit einer Person, die grade jetzt, quasi erst recht die Hand ausgestreckt hat. Was gleichermaßen mutig wie irrsinnig ist.

Wenn ich es jetzt noch schaffe nach so einem fabelhaften Tag nach Hause zu kommen, ohne an die Gespenster und die Fragezeichen im Kopf zu denken, die sich dort angesammelt haben. Sich nicht zu fragen, ob da gerade ein neues dazukommt. Eines, dem man nur entkommen könnte, wenn man auf noch viel mehr Menschen verzichten kann.
Oder, ob es am Ende wieder darauf hinausläuft, dass ich mir die nächste Schutzschicht zulege. Noch eine Mauer baue. Miss Independent, gekleidet in Misstrauen und Vorsicht ist wieder der Zukunft auf den Leim gegangen.

P.S. Liebe bayerische Landesregierung: Versucht ruhig mich auf eine Liste zu packen und wegzusperren. Ich bin zäher als ihr, gerade weil ich mit den dunklen Geistern tanze.

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