You guys, what a week.
Montag packte ich die diversen Kuchen ein und machte mich noch wie eine gewöhnliche Drohne auf den Weg nach Unterföhring, wo ich den Tag mit der Verabschiedung von den Kollegen und ein paar Kleinigkeiten verbrachte.
Ich nahm nachträgliche Geburtstagsglückwünsche und aufmunternde Worte für die nächsten Wochen entgegen.
Am späten Nachmittag packte ich zusammen und winkte noch einmal wehmütig dem Gebäude. Mal sehen wie lang.
Natürlich schlief ich nur so okay und wachte Dienstag viel zu früh und mit Herzklopfen auf. Ein bisschen wie erster Schultag. Ich war zu früh im Büro, suchte mir erstmal einen Tisch und begann mich zu orientieren.
Ich will jetzt gar nicht den ersten Tag in allen Details schildern, weil Workshops und Debatten für den Leser dann wohl doch nur begrenzten Unterhaltungswert haben. Allerdings sei gesagt: Ich hatte eventuell seit den Weingetränkten Debattier-Nächten der Uni nicht mehr so viel Spaß. Aufgefordert werden groß zu denken, ruhig auch in abseitige Richtungen und im großen Verbal-Ping-Pong Konzepte durchspielen ist besser als jedes Sabbatical.
Die nächsten Wochen werden anstrengend und fordernd und ich freue mich wie ein Australier auf dem Weg zur Theresienwiese darauf. (Die ist halt grade in der Nähe.)
Abends gab es noch ein hinreißendes Get-Together mit Mentoren, Agenturen, Helden und anderen Anhängseln dieses Inkubators. Plus Catering. (Hatte ich erwähnt, dass es hier Tegernseer regulär im Büro-Kühlschrank gibt? Nein? My Bad. )
Ich schwebte trotz eines Zuges voller Wiesn-Heimfahrer bis zu meinem Bett.
Schlaf ist für Leute die morgens nicht voller Vorfreude aufs Büro aus dem Bett springen, stellte ich Mittwoch fest.
Auch der war geprägt von Gesprächen und bezahltem Rumspinnen. (Das wird hier so schwärmerisch die nächsten Wochen. Es tut mir ja auch leid.) Abends gab es gleich die nächste Veranstaltung, von einem anderen Accelerator. Allerdings begann gegen 8 etwas hinter meinen Schläfen zu pochen und ich schlich mich noch vor dem großen Workshop-Teil (und dem Catering!) davon.
Als ich am Donnerstag als erste gegen 9 im Büro war und erst gegen halb elf die ersten Kollegen eintrudelten, begann auch bei mir langsam das mit der großen Freiheit hier einzusinken. Es ist egal wo ich arbeite. Oder wann ich arbeite. Klar, man hat Termine und Workshops und Deadlines – aber davon abgesehen? Arbeite so, wie du Ergebnisse erzielst.
Die meinen das hier so.
Ich hatte keine Termine, also dokumentierte ich meine ersten Tage, dachte mit dem Marker in der Hand auf Post-Its rum und ging am frühen Abend zur einer Verabredung mit einer früheren Kollegin.
Wie so ein Mensch mit Work-Life-Balance.
Die Kollegin aus harten Start-up Zeiten und ich brachten uns gegenseitig auf den neuesten Stand. Wir hatten beide in den letzten knapp zwei Jahren ein paar Wechsel hinter uns, ein paar Zweifel, ein paar harte Lektionen mehr.
Sie hatte ihren Weg zurück in die Old-Economy gefunden, ich erzählte mit leuchtenden Augen vom Inkubator, dazu speisten wir im Anna Hotel sensationelle Dim Sum und tranken Wein.
Ich kämpfte mich am dritten Tag hintereinander durch die von der Wiesn zurückkehrenden Menschentrauben, entfernte zum zweiten Mal in der Woche einen Herrenarm von meiner Hüfte respektive Schulter, der dort ungefragt abgelegt worden war (Ich scheine zur Zielgruppe von Herren im Segment 50+ mit Trachtenjacke zu gehören.) und beschloss am Freitag gleich mal das mit diesem Home-Office auszuprobieren.
Ich schlief an einem völlig normalen Nichts-Urlaubs-Werktag also aus, frühstückte und begann dann Emails zu schreiben. Wahnsinn.
Immer, wenn ich über etwas nachdenken musste, erledigte ich irgendwas in der Wohnung. Müll raustragen – zack – Prioritäten klicken. Geschirrspülen – zack – eine Bemerkung aus einer Diskussion fügt sich als neue Funktion ins Konzept.
Egal wie sich diese Sache hier entwickelt, meine Sicht auf modernes Arbeiten und richtig genutzte Ressourcen wird sich vermutlich für immer verändern.
Bis zum Abend hatte ich die erste Reihe Kontaktanfragen raus, eine klare Vision für die Aufgaben der nächsten Woche und Antworten auf zwei wichtige, richtungsweisende Fragen. Sowie eine aufgeräumte Wohnung.
Am Samstag lies ich das Projekt Projekt sein, frühstückte gegen Mittag ordentlich und machte mich Nachmittags auf den Weg in Richtung Oide Wiesn. Eingetrachtet, obviously. Der F. hatte einen Tisch im Festzelt Tradition und als ich dann endlich auch den richtigen Eingang erwischt hatte, fand sich eine hochgradig sympathische Runde Twitterer zusammen, um Hendl bzw. Rohrnudeln zu essen und hervorragendes Augustiner zu trinken.
Es wurde gar nicht mal so spät, dafür aber sehr lustig. Ich warte nach wie vor auf den Punkt an dem sich ein via Twitter reizend erscheinender Mensch als weniger reizend im RL erweist. Vielleicht hab ich da einfach Glück. Oder ich finde hauptsächlich Menschen, die dieselben Dinge im Leben zu schätzen wissen. (Alkohol, Essen, spottenden Humor.)
Im Nachhinein hätte ich den Sonntag einfach verschlafen sollen.
Es halfen weder Wein noch Schokolade oder gar die Hoffnung, dass die Leute hier ja eh die CSU wählen würden. Stattdessen fanden sich hier, mitten in der gesättigten CSU Hochburg mit 2% Arbeitlosigkeit, wenig Kriminalität (die Probleme liegen hier eher bei Einbruchsvergehen), hoher Bildungsrate und überdurchschnittlich vielen Engagierten in der Flüchtlingsarbeit Dörfer mit bis zu 20% für diesen einfallslosen Haufen aus alternativen Problemen.
Und mir fällt dazu einfach nix mehr ein. Nichts. Das hier ist Bayern. Nicht Sachsen, kein Problemviertel. Nicht zuletzt sind es natürlich überdurchschnittlich viele Menschen mit eigenem Migrationshintergrund, die sich haben verleiten lassen. Was soll das sein – Protest? Wogegen? Und mit welchem Ziel? Ich glaube tatsächlich, dass ein Großteil dieser Wähler durchaus weiß wie nutzlos diese Leute in der tatsächlichen politischen Arbeit sein werden.
Es ist Trump, Brexit, Le Pen. Frust und Unzufriedenheit ohne artikulieren zu können, was denn bitte schön geändert werden sollte. Auf Nachfrage kommen dann entweder Grobkonzepte wie Identität und Angst vor was auch immer oder so brachiale gesellschaftliche Themen wie der Rundfunkbeitrag.
Es scheint, als gäbe es, wie gut es einem Land, einer Gegend auch immer geht, jederzeit ein Wähler-Potential zu geben, dass einfach nur Trotzigkeit unter Beweis stellen will. Mehr ist es nicht. Egal, wie sehr sie damit allen schaden.
Proteststimmen sind ultimativer Narzissmus. Aber das wollen sie nicht hören.
Ich schätze, ich muss mir dann mal eine Partei suchen.
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