Ich bin der Überzeugung, dass mein Inneres aus einer Stimmgabel, einem Metronom sowie einem Aerometer besteht und ich nur halbwegs erträglich bin, wenn alle drei korrespondierend-ausgeglichene Werte messen.
Diese Woche schlugen die drei abwechselnd in die falsche Richtung aus und ich brachte es neben Schlafen und Arbeiten nur auf Heulen und Trinken. Allein: So viel passiert in meinem Leben nicht, dass es Stoff für derart dramatische Gefühlsausbrüche gibt. Woher kommt das also? Ich weiß es nicht und das Problem ist, sobald die Werte wieder stimmen, interessiert mich die Frage auch nicht mehr besonders. Natürlich, zu viel zu tun, zu wenig Zeit, zu viele Dinge und Menschen die zerren. Für jemanden, dessen Metronom keine sechs Achtel spielen will, wird das schnell zum Problem.
So ein inneres System kann einen ganz ungewollt zur Diva machen und will darum gepflegt werden. (Meine innere Diva hat Show-Wochen und will nach einer spektakulären Ohnmacht vor vierzehn Tagen vehement gehätschelt werden.)
Also Reißleine gezogen.
Überquellender Feedreader und die Inbox werden ignoriert, auf dem Blogdingsi liegt auch eine feine Staubschicht. Ich kritzele in Notizbücher und richte meinen Tag danach aus, wann ich an den See will. Jeder sollte einen See haben. Dann würden nicht alle in den gleichen Ecken wohnen wollen. Wer an einem See leben kann, nimmt vielleicht andere Dinge in Kauf.
Ja, ich raste mindestens einmal die Woche auf Twitter wegen der Bahn aus, (die innere Diva war nicht so unglücklich darüber, diese Woche zweimal per Bahn-subventioniertem Taxi nach Hause zu fahren) aber wenn ich gleich mein Handtuch packe und die 300 Meter zum Wasser zu Fuß zurücklege, ist die Sehnsucht nach dem City-Apartment sehr, sehr klein.
Dauerhaft werden größere Teile meiner Generation sich diesem Dilemma stellen. Tatsächlich können nicht alle in pulsierenden Zentren mit großem Kulturangebot leben und auf die konservative Landbevölkerung herabschauen. Gleichzeitig ist Pendeln in unserem Land ein Fall für Amnesty und Autos neigen dazu kaputt zu gehen sowie Nerven und Geld zu kosten.
Manchmal ist es sehr frustrierend zu sehen wie viele der interessanten klugen Menschen dieses Internets sich das Erobern des ländlichen Raums nicht vorstellen können.
Aber was soll man machen: Hier wird keine Pizza geliefert und Cocktails mischt man sich am besten auch selbst. Am Wochenende wird man manchmal von der Blasmusik geweckt und die Einheimischen merken sich, wenn man mal nicht gegrüßt hat. Alle zwei Stunden geht der Zug in Richtung Kreisstadt oder Landeshauptstadt und dann fährt man eben nicht spontan. Spontan fährt man nur an den See.
Es hilft nichts, meine Stimmgabel findet jetzt grade dieses zwangsläufige Nichtstun in der Diaspora viel zu gut. Highlights wie Weinfest, Nachtflohmarkt und Open Air Kino reichen gerade völlig aus.
"Do wo i dazua bass, ko i ned hi und do wo i bin, bas i ned dazua." / rechts ab ; Vorhang schließt sich
— Isabella Donnerhall (@DonnerBella) July 9, 2013
Untertitel: „Dort wo ich hinpasse, kann ich nicht dazu und dort wo ich bin, passe ich nicht dazu“
Kaum bin ich hier und sitze am See wirken die ganze Heulerei, die Hysterie und der Wunsch nach irgendwelchen Dingen so schön absurd. Andererseits: All die Menschen mit denen ich gern mehr Zeit verbringen würde, sind eben nicht hier. Die innere Diva, das alte Sensibelchen, würde gern Wurzeln schlagen, irgendwo. Nur ein paar, ganz feine. Der Rest würde gern, wie es sich angeblich gehört wenn man (noch) jung ist, die Welt erobern, um Häuser ziehen, Toben und Drama veranstalten.
Wenn ihnen dieser innere Kampf und die Unausgeglichenheit bekannt vorkommt: Ja, genau, die innere Zicke holt ihre Pubertät nach. Ich hätte mit 17 weniger Depressiv und mehr… irgendwas anderes sein sollen.
Wenn mich jemand sucht: ich bin am See
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