Nun, here we are. Eigentlich sollte hier schon der Beitrag zum Thema Geld und was das alles mit der Herkunft zu tun hat stehen, aber dann ist Twitter passiert und ich dachte ich häng einen kurzen Disclaimer davor – der dann schnell über 500 Worte hatte, weil ich mich bekanntermaßen nicht kurzfassen kann.
Mal zum Thema Twitter-Debatten. Ich lese im Nachgang zu diversen, angeblich kontroversen Themen fast immer es wäre eine #Personen vs #AnderePersonen gewesen. Und da geht der Fehler ja schon los. Kein Arbeiterkind ist auf ein Akademikerkind losgegangen oder sagt, es müsste auf irgendetwas verzichten. Es ist überhaupt kein Kampf gegeneinander und es ist auch nicht, wie gern mit hochgezogener Augenbraue formuliert wird „völlig sinn – oder ziellos“. Natürlich werden oft eher Nicht-Themen durch die Plattform gejagt und regelmäßig bleiben am Ende Statements mit möglichst radikalen und dummen Inhalten als dargestellte Beispiele übrig. Aber das heißt nicht, dass wir den Rest nicht brauchen, im Gegenteil .
Wenn Arbeiterkinder ihre Erfahrungen schildern und dann kommen Menschen aus Haushalten mit akademischem Hintergrund um ihre Perspektive zu schildern, dann ist das auch ein Hinweis darauf, dass sie sich in den beschriebenen Biographie-Varianten nicht wiederfinden. Dahingehend ist Twitter nämlich oft differenzierter als man denkt – und als man später in den darüber berichtenden Blogeinträgen oder journalistischen Stücken liest. Geschrieben wird über die polarisierenden, die lauten Beiträge. Die, die empört mit einem „Drüberkommentar“ as the kids call it retweetet werden. Nicht über die langen, ausführlichen Gespräche zwischen zwei bis vier Leuten, die darum ringen sich gegenseitig zu verstehen.
Weil wenn mich momentan an Twitter etwas nervt, dann, dass jeder ein Berichterstatter sein will und niemand denkt er hätte Skin in the Game. Hach, was bin ich nicht Meta und ich mute einfach alles und ich bin zwar dort aber natürlich ist das alles unter meinem Niveau. Eff you und dein nichtvorhandenes Niveau – dann geh halt Audiobooks von Richard David Precht lesen, aber hör auf zu twittern.
Wenn ihr alle so souverän wärt wie ihr tut, würdet ihr am Ende nicht verlautbaren was euch alles nicht interessiert. Wenn mich etwas nicht interessiert oder ich wirklich nichts beizutragen habe, dann lasse ich Dinge an mir vorbeiziehen. (Okay, außer American Football. Warum wird das jetzt so gepusht? Warum lästern dieselben Leute in meiner Timeline über RB Leipzig um dann Nachts Chiefs, Dolphins oder tschissuschraist, Patriots zu feiern. Wo ihr Ausschlag bekommt, wenn sich im Deutschen jemand Patriot nennt.)
Dass nicht jeder die Zeit hat sich einzumischen, oder Angst vor den ggf. fürchterlichen und aggressiven Antworten die kommen können – geschenkt. Aber wenn du eigentlich gern was sagen würdest aber es nicht tust, weil du zu cool dafür bist? Well, God, Jed, I don’t even want to know you. (Mrs. Landingham geht immer.)
Ich hab’s auch satt, dass wir alle immer so tun als wären wir total objektiv. Einen Dreck sind wir. Wenn es um Herkunft geht, um die Gruppen mit denen wir uns freiwillig oder qua eigener Geschichte assoziieren, dann sollen wir da sachlich sein? Ah géh weida. Wenn Themen an die Substanz gehen, wenn es unsere Entscheidungen und Umstände betrifft, Dinge die wir ja auch nicht nur mit dem Kopf entscheiden – natürlich werden wir da emotional. (und HALLO, das sagt die emotionale Legasthenikerin im Raum.)
Tatsächlich mag ich Twitter immer noch. Vielleicht gerade wegen der vielen Auseinandersetzungen. Nicht wegen des Geschreis. Weil sich Experten zu Themen äußern, weil Leute blöde Witze machen und weil man sich auch mal in die Haare kriegen kann, ohne, dass man danach neues Geschirr kaufen muss. Ja, ich diskutiere gern. Warum sollte ich sonst einen Account haben? Für Promotion geht man zu Instagram. Ich will reden, albern sein, Geschichten lesen, Dinge lernen und mich manchmal auch fetzen. Das sind die Dinge, die ich an Menschen schätze und ich schätze sie auch an Twitter. Gifs und Threads und Kartoffelsalat – give me all your imperfections.
Zu den cool Kids hab ich nämlich nie gehört und wenn du bei Twitter bist, du übrigens auch nicht.
„Everyone’s a pundit these days“ hat neulich ein amerikanischer Politik-Kommentator gesagt mit Blick darauf, dass viele Menschen nicht wählen oder unterstützen wen sie persönlich für ideal halten, sondern von wem sie glauben, dass „die Allgemeinheit“, diese graue, unförmige Masse auch will. Weil man selbst ist ja viel reflektierter als der gemeine Pöbel. Wenn das dann genug Menschen über sich denken… so geht ein Schlamassel los. Daran muss ich bei diesen spöttischen Meta-Tweets immer denken. Ich bin weiß Gott jemand, der sowas auch schon gemacht hat. Look at me being more clever than all those sheeps. So ein Blödsinn. Kaum kommt das richtige Thema, hänge ich voll drin. Auch wenn ich dann oft viel darüber gelesen habe, mich damit beschäftige und den Eindruck habe eben nicht nur über meine Erfahrung zu sprechen – am Ende tue ich auch das.
Wir sollten nicht aufhören Themen auseinander zu nehmen, aber vielleicht sollten wir lernen uns überhaupt erstmal auf ein Thema zu einigen. Als ich mich beispielsweise vor kurzem über die Kampagne der Nestle-Ministerin mit dem Hashtag #Dorfkinder aufgeregt habe, ging es mir überhaupt nicht um Dorf vs Stadt, den Blödsinn machen wir oft genug. Als Dorfkind hätte ich mir gewünscht, es ginge um uns alle gegen diese unverschämte Politikerin, naja, dachte ich. Hatte ich gehofft. Das ist der Teil, wo ich noch nicht ganz mitkomme. Weil tatsächlich kamen da diverse sehr erwartbare und einfallslose Keulen darüber, dass Dorfkinder hauptsächlich Nazis sind und gut nur diejenigen, die weg ziehen. Das war dermaßen nicht der Punkt.
Der smarte Weg ist ja nicht alles zu muten, sich zu entziehen und der Meute das Feld zu überlassen – der smarte Weg wäre das Agenda-Setting als solches zu betrachten und sich die Brandstifter vorzunehmen. Wir können nicht über „die Medien“ die Nase rümpfen, die dumpf Springer-Schlagzeilen nachplappern, wenn wir selbst immer gleich Fronten aufziehen. Wenn Arbeiterkinder ihre Erfahrungen schildern, dann sind der „Gegner“ nicht Akademikerkinder, sondern ein System und wenn eine Ministerin versucht Dorfkinder vor ihren Karren zu spannen, dann ist es nicht vs. Stadtkinder, sondern vs. dieses haltungslose Ministerium sein.
Wie wir das am besten anstellen, ich hab grade noch keine Ahnung. Vielleicht sollten wir das auf Twitter diskutieren. Wer Leute nicht mag, die sich gern mal verbal Dinge um die Ohren hauen, der hat mich eh nicht in der Timeline. (Eigentlich war der Plan nur „Not backing down 2020“ aber offensichtlich ist er „Durchgehend auf Krawall gebürstet 2020“. Ich trinke momentan allerdings auch quasi nicht. Oh.) Überhaupt, Mission Statements, das ist doch mal ein Ansatz.
Insofern hab ich wohl Peak Meta-Twitter erreicht. Aufregen über diejenigen, die sich nicht aufregen wollen. Aber ernsthaft, wenn dich nix interessiert, interessierst du mich auch nicht.
Fragen 726-750
751. Mit welcher Frucht würdest du dich vergleichen?
….was? Ananas?
752. Sind deine Gedanken immer richtig?
Erneut: Bitte???
753. Welche Worte möchtest du irgendwann noch von jemandem hören?
„Wenn es dir wichtig ist, ist es mir auch wichtig.“ (es ist kompliziert.)
754. Was an dir ist typisch schweizerisch, italienisch, französisch, deutsch?
Oy vey. Es geht ja schon damit los, dass mir oft genug irgendwelche anderen Nationalitäten unterstellt werden. (Fuchtelt gestenreich, typisch italienisch.) Wobei, die Sache mit der Pünktlichkeit vielleicht? Und eine gewisse bajuwarische Arroganz. Aber die ist eher publikumsgerechte Folklore.
755. Fühlst du dich in deiner Haut heute wohler als vor zehn Jahren?
Ich würde zwar sagen, dass ich vor 10 Jahren hübscher war, aber ich wusste es natürlich nicht. Insofern: Doch, ja.
756. Wann hat mal dein Glück auf dem Spiel gestanden?
Ach, Glück, das sind Momente. Meine Grundlagen standen schon oft auf dem Spiel. Familie, Freundeskreis, Job – es hing alles schon mal am seidenen Faden.
757. Was möchtest du irgendwann unbedingt erleben?
Geliebt werden.
758. Trinkst du am liebsten aus einer bestimmten Tasse oder einem bestimmten Becher?
Natürlich hab ich auch die Neurose. Die gigantische Halb-Liter-Katzenmotiv-Teetasse, der getöpferte Kaffeebecher, etc.
759. Mit wem hast du deine erste Freundschaft geschlossen?
Äh. Oh. Das müsste die Ch gewesen sein, so in der zweiten Klasse ungefähr. Vorher kann ich mich zumindest nich dran erinnern. Sie hat Seifen gesammelt und ich bekam das erste Mal einen Begriff vom Unterschied zwischen Mitteltands- und Akademikerfamilie. Was sich damals gar nicht so drastisch materiell als viel mehr in einem gewissen Selbstverständnis niederschlug.
760. Würdest du es selbst weniger gut haben wollen, wenn es dadurch allen Menschen besser ginge?
Ein bisschen weniger? Sehr viel weniger? Das ist mir zu unspezifisch. Würde ich auf 5qm Wohnung verzichten – ja klar. Auf fließendes Wasser – eher nein.
761. Glaubst du an den Zufall?
Inwiefern glauben? Zufälle passieren, das ist einfach qua Wahrscheinlichkeit so. Oder geht es hier ums Gegenteil – wenn man an den Zufall glaubt, kann es keine Bestimmung geben? Aber vielleicht existiert beides?
762. Wie viel Zeit am Tag verbringst du in der Küche?
An einem Werktag: 30 Minuten maximal, weil ich abends nicht groß koche und mir morgens nur fix meinen Tee für den Thermobecher darin mache. Am Wochenende, wenn ich womöglich koche UND backe, können es etliche Stunden sein.
763. In wem hast du dich vor Kurzem wiedererkannt?
Ich weiß nicht, ob das ein – haha, Zufall ist – aber seit ich das mit dem Spektrum weiß und gleichzeitig erstmals bewusst Frauen mit dieser Diagnose im öffentlichen Leben wahrnehme (Hanna Gadsby, Greta), erkenne ich mich überhaupt in Menschen wieder.
764. Bist du impulsiv?
Was ich über meine Spektrums-Störung gelernt habe, ist ungefähr das: Ich kann sehr, sehr lange gleichmäßig vor mich hin simmern, selbst wenn Dinge nicht in Ordnung sind. Aber der emotionale Teil ist durchgehend so hochsensibel, so auf maximale Lautstärke gedreht, dass irgendwann eine Überspannung entsteht, der Verstärker quasi platzt und daraufhin kann ich tatsächlich komplett die Kontrolle über meine Handlungen verlieren und extrem impulsiv Dinge tun.
Weil grundsätzlich: Eher nicht.
765. Für wen hast du dich vor Kurzem geschämt?
Deutet auf Nachrichten, zoom nach London, Washington und München. (Hint: Mostly men.)
766. Kannst du mit einer Person des anderen Geschlechts eine Freundschaft pflegen?
In diesem Abschnitt häufen sich die Blödsinnsfragen aber schon auch arg, oder?
767. Hast du ein Lächeln, das du nur für Fotos aufsetzt?
Nicht, dass ich wüsste. Aber mich versetzen Fotografen auch ihn zahnarztähnliche Panikzustände.
768. Wen rufst du zuerst an, wenn du eine gute Nachricht hast?
Es geht ja kaum noch jemand ans Telefon und wenn dann meine Mutter.
769. Was würdest du tun, wenn du keine Verantwortlichkeiten mehr hättest?
Also wenn jemand alles für mich regeln würde? Ich könnte also nur noch rumliegen und lesen? IST DAS EINE OPTION?
770. Findest du dich selbst attraktiv?
Ich meine…das ist auch ein Spektrum…irgendwie? Puh. Nicht konventionell, nein. Aber es stört mich an sich auch nicht.
771. Wer hat dich in letzter Zeit stark beeindruckt?
Zitiert die Antwort auf Frage 763. (Interessant wie präsent mein Asperger hier plötzlich wird.)
772. Bist du ein gutes Vorbild?
Grundgütiger, bitte nicht.
773. Welche Tradition wird überbewertet?
Ach, eigentlich alle.
774. Packst du Geschenke immer hübsch ein?
Hübsch ist relativ. Gut gemeint, ja.
775. Interessierst du dich für Königshäuser?
Die Gemäuer? Och ja. Die Menschen? Nur wenn gute Filme über sie gemacht werden. Geht The Crown gucken.
3
H. ist nicht auf Twitter, war nicht und wird es nicht sein.
Aber er kann sehr gut nachvollziehen, was Sie schreiben.
Zu den Fragen hätte er Kommentare, die verkneift er sich aber.
Nein, tut mir Leid, auf Twitter habe ich im letzten Jahr keine Diskussionen mehr gesehen, nur noch Gekeife. Das mag zum Teil an meiner ziemlich heterogenen Timeline liegen. Was mir aber am meisten zu denken gab, waren nicht die „kreuziget ihn/sie“-Rufer – die kannte ich schon – sondern die ansonsten so wohlanständigen Damen und Herren, die gute Gesellschaft von Klein-Bloggersdorf, die sich hübsch heraushielten, aber den übelsten Hetzern via „like“ Beifall klatschten.