Gut ist, dass draußen Kälte herrscht. Kälte und Schnee und Wind. Es hilft beim Abkühlen, wenn innen drin alles tobt. Wenn manchmal, aber endlicher seltener die Wut aufblitzt. Wenn positiv überraschend, Emails aus einem anderen Leben aufschlagen. Wenn ich mich bei Gedanken an eine Begegnung aus noch einem anderen Leben ertappe.
So wirklich auf Menschen loslassen kann man mich immer nur noch bedingt, aber der Biss kommt zurück, ganz langsam. Eine widerspenstige Ambition, hin- und hergerissen zwischen ‚lasst mich alle in Ruhe, ich will nur hier sitzen, allein vor mich hin arbeiten‘ und ‚Weltherrschaft, aber sofort‘.
Nach und nach baue ich die Dinge ab, die mir im Nacken sitzen. Steuererklärung, ein überfälliger Text, jetzt noch ein ehrgeiziger Plan und eine große Wunscherfüllung. Ein einziges Rumoren.
Das Büro bürotiert so vor sich hin, ich gebe das Fräulein Rottenmeier in einer Welpinnen-Runde, was die momentan niedrige Frusttoleranz enorm fordert. Erstmals sehr seriöses Fernweh. Vermutlich nach einem Ort, der nicht existiert. Aber stark genug, dass ich darüber nachdenke wie es wäre woanders zu leben, etwas ganz anderes zu machen. Vielleicht ist es der Wunsch nach der Neuerfindung des eigenen ichs.
Oder auch ein kleiner Teil Fluchtinstinkt, seit ich jetzt schon im Beuteschema von doch älteren Busfahrern liege. In Wahrheit funktioniert die große Klappe ja bei vielen Dingen, aber eben fast gar nicht, wenn Männer Annäherungsversuche starten. Das passiert so selten, dass ich erstmal ehrlich schockiert bin und gar nicht schnell genug beurteilen kann, ob das nun ernst gemeint oder einfach nett oder übergriffig ist. Da gehen alle Systeme auf immediate exit.
Ich bin nicht einfach nur unspontan, ich fühle mich regelrecht gekränkt, wenn sich zu viel, zu schnell ändert und niemand mich fragt, ob das so okay ist. (Macht sich mentale Notiz für die Therapeutin.)
Was besonders irritierend ist, wenn man aus einer Spontanitäts-Sippe wie meiner kommt. Apropos.
In der elterlichen Wohnung beginnt das große Räumen. Aus- und Weg- und Abräumen. Mama Donnerhall nimmt nur das Nötigste mit in die neuen vier Wände, fängt auch nochmal neu an. Als erstes werden 5×2 Meter Bücherregal aufgelöst und großzügig an die Töchter verteilt. Das geht, weil wenigstens eine von uns es nicht übers Herz bringt Bücher wegzuwerfen. Also bekomme ich jetzt ein Lexikon in 16 Bänden. Soviel zu meinem Plan von der neuen Agilität.
Ein Teil von mir kommt sich vor wie ein Midlife kreisender Mittvierziger. Jetzt, wo alles geregelt und demnächst Alle aus dem Gröbsten raus sind, könnte man ja nochmal aufdrehen. Meine Güte, wie früh ich alt geworden bin.
Um mich herum herrscht so viel Aufbruch, Wagemut. An guten Tagen denke ich, das will ich auch. Dann liege ich abends im Bett, der rechte Fuß ist ein einziger Eisklumpen und mir wird wieder klar, dass ich eben auch aufgrund meiner Physis so vorsichtig geworden bin. Roadtrips, durchgetanzte Nächte und barfuß am Strand entlang spazieren, sind alles Konzepte die mich durchaus reizen könnten, aber deren Preis ich eben doch nicht bereit bin zu zahlen.
Natürlich ist mir längst klar, dass ich zu viel darüber nachdenke was mich hindert oder beeinflusst, anstatt einfach mal trotzig etwas einfach zu tun – aber auch das ist diese fiese Krankheit. Zumindest hoffe ich das. Noch kann ich mich daran erinnern, wie ich zuletzt einfach mal etwas angefangen und mich in etwas gestürzt habe. Das war gut. Ich vermisse die Bella, die so war, sich das getraut hat.
P.S.: ICE ICE ICEHOCKEY BABY *eskaliert noch eine Weile vor sich hin*
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