150 Tage Duolingo – funktioniert das tatsächlich?
Am Dienstag war es dann soweit, ich habe einen kleinen Sprachlernmeilenstein erreicht. Natürlich, 150 Tage sind im Grunde gar nichts, aber für jemanden der sich das mit der weiteren Fremdsprache (hier üblichen Komplex zum zweiten Bildungsweg) schon sehr, sehr lang vornimmt, eben doch. Spanisch hatte ich in der Schule mal probiert, Italienisch während des Studiums aus reiner Notwehr. Ich neige nämlich dazu von Besuchern aus anderen Ländern angesprochen zu werden, in der Hoffnung, sie hätten eine der Ihren gefunden.
Es lief also auf Italienisch oder Farsi raus. Und nix wie ungut, da gehe ich dann den romanischen Weg, der Pasta enthält.
Jedenfalls, meine zwei Semester Italienisch an der Uni waren längst wieder in den Hirnwindungen versandet und abgesehen von ein paar Vokabeln langte es kaum zum Essen bestellen.
Zu Beginn des Jahres also die grobe Idee (ich wollte es natürlich nicht Vorsatz nennen) es mal mit einem dieser Onlineportale zu versuchen. Bubble. Duolingo. Irgendwas mit gamefication und lustigen Grafiken halt. Wobei dieser Level up – Anreiz bei mir nie so gegriffen hat wie bei anderen. (which is for another therapy session)
Aus reinem Zufall ist es dann Duolingo geworden, ein eigentlich klassiches System mit einfließenden neuen Vokabeln und kleinen thematisch gebundenen Grammatik-Lektionen. Zwar bis dato nur mit Grundsprache English – man lernt also nicht Deutsch/Italienisch sondern English/Italienisch, aber so wird halt nebenher auch noch der Muskel trainiert. Win win. Oder so. Sprechübungen sind optional, wodurch man die App auch mal zur Überbrückung von Wartezeiten nutzen kann.
Das trügerische am Italienischen ist ja: es ist eine romanische Sprache, jede vierte Vokabel kommt einem eh irgendwie bekannt vor, solange man im Präsens bleibt flutscht auch das theoretische Verständnis und – husch – hat man sich die ersten vier Level hochgearbeitet. Na das wird doch! denkt das Hirn, das längst vergessen hat wie man sich durch seine ersten zwei Jahre English stopselte und es ohne Harry Potter vielleicht nie auf den Level geschafft hätte. Egal. Io studio molto in italiano.
Duolingo macht das außerdem sehr clever. Es gibt ein Punktesystem bei dem man nicht nur 2 Punkte (Lingots) für eine fertige Lektion bekommt, sondern auch für eine bestimmte Anzahl von Tagen am Stück. Der Streak. Oh, damit hatten sie mich. Denn so werden richtig ordentlich Lingots gesammelt. 10 Tage am Stück sind ein Lingot, 100 Tage sind 10 Lingots, für 150 Tage Duollingo werden 15 Lingots draufgepackt.
Und für lausige 10 Lingots kann man sich den praktischen Streak-Freeze kaufen – ein kleiner schmutziger Trick um an einem Tag den Zähler zu halten anstatt den Streak zu beenden.
Das ist meine Art von Ehrgeiz – genug Punkte sammeln, um damit einen Schummeltag zu subventionieren. (Das meint ihr mit diesem Cheat-Day-Diät Blödsinn, gell? Herrje.)
Theoretisch kann man mit diesem Lingots auch den eigenen Ehrgeiz pushen und zusätzliche Lektionen kaufen, z.B. „Flirten“. (Ja klar, als würde das bei mir irgendwas…) Eins der Nebenprojekte von Duolingo ist außerdem, dass die Community (nun, für den der’s mag) quasi gemeinsam Dokumente in die Kurssprache übersetzt. Wer da fleißig ist, kann weitere Lingots sammeln – aber sein’s mir nicht bös, ich mag es wenn Profis Sachen übersetzen.
Was bei mir hervorragend greift: OCD-Tendenzen ausnutzen. Weil, wenn man bestimmte Lektionen nicht regelmäßig übt, ändert sich ihr hübsch gülden eingefärbtes Aussehen wieder.
Und das ertrage ich nur ganz schlecht. Also mache ich nicht nur meine 2-4 Übungen des neuen Stoffes jeden Tag, nein, ich plane längst Zeit ein, um wenigstens die meisten der nicht mehr hübsch eingefärbten Felder wieder anzugleichen.
Menschen – so simpel manchmal.
Nach also nicht ganz fünf Monaten behauptet Duolingo ich wäre 50% fluent in Italienisch – was natürlich Mumpitz ist. Ich habe ein Grundverständnis für die Sprache entwickelt, mehr nicht. Der bei etlichen Verben notwendige passive Satzbau (piacere ist da das kleinste Übel), die ulkige Bildung von Vergangenheiten (averse, essere – ach, Wüfeln wir mal) und ein Hang zu sehr ähnlich klingenden aber entscheidenden Worten (lo, l’ho – ach, mal so mal so) bringt ganz langsam zum Vorschein, dass Italienisch – wie jede andere Sprache auch – vor Außnahmen, Spezialfällen und historisch bedingen Seltsamkeiten (Tavolo, tavola) nur so strotzt. Es hilft nichts, wer Italienisch lernen will, wird einiges über Italien lernen. (Sie wären überrascht wie vielen Menschen das nicht klar ist.)
Eine Sprache lernen heißt wiederholen. Und wiederholen. Und wiederholen. Und ärgern, wiederholen, nochmal falsch machen, wiederholen.
Ma è divertente ed tutto souna meglio in italiano
P.S.: Sollten Sie das jetzt ausprobieren und bei den Foren erschrecken weil sich da wohl eine interessante Subspezies Mensch gefunden hat, die gern 4 bis 8 Sprachen gleichzeitig lernt – nicht einschüchtern lassen. Das sind überraschend viele Amerikaner die ihren kulturhistorischen Komplex damit ein bisschen ausgleichen. Bless them.
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