Traditionellerweise nutzt man ja runde Geburtstage sehr gerne zum großen Bogen spannen. Rückblick. Vorschau. Oder wenigstens Rechenschaft ablegen wie brav ich mich an die Tipps halte, die ich vor drei Jahren bekommen habe.
Aber jetzt, wo ich hier schreibe, ist da nur großes Durchatmen.
Beim Einatmen noch die Nervosität weil so gar nichts in trockenen Tüchern ist und mein Leben immer noch bemerkenswert unstet vor sich hin tuckert. Aber beim Ausatmen dafür Gelassenheit. Es ist wie es ist und es ist okay. Im Zweifelsfall kann ich es selbst ändern.
Der berufliche Vagabunden-Lebenslauf – okay.
Das private Eremitendasein mit der überdurchschnittlichen Heimatverbundenheit – okay.
Ein sehr kleiner, über die Republik verteilter Freundeskreis und geringe Fähigkeiten zur Erhaltung von Freundschaften – nicht optimal, aber okay.
Keinerlei Selfie-Skills – vollkommen okay.
Mein Verhältnis zum eigenen Spiegelbild wird langsam, ganz langsam besser. (Es ähnelt mit jedem Tag mehr meiner divenhaften Großmutter. Auch okay.)
Alles zusammen führt auch dazu, dass es keine große Party gibt, sondern ein paar kleine, dafür gute Begegnungen. Die wimpernschlaglangen Sehnsuchts-Momente nach einer starken Schulter, dem Freundeskreis in Fanklubstärke oder einem generellen Dasein als Social Butterfly sind nicht länger Gründe mir einen Therapeuten zu suchen.
Weil 30 werden bringt die Erkenntnis: Alle wollen manchmal was sie nicht haben. Hätte ich einen Ehemann, eine Eigentumswohnung oder eine eigene Firma würde ich mich nach meinen Slacker-Wochenenden mit Buch auf der Couch sehnen.
Mein 15jähriges ich wäre so oder so beeindruck. Es hatte zwar nicht vor so alt zu werden, aber es fände die Übersichtlichkeit meines Lebens gut. Mit zu wenig Radius, um auf dem großen Radar aufzufallen – Social Media hin oder her. Unauffällig, aber nicht mundtot. Ich kann streiten, debattieren, austeilen und einstecken. Lang lebe das Internet.
Twitter ist der Pausenhof voller Freaks den ich nie hatte und auf den ich um nichts in der Welt verzichten wollte. Mein Blogdingsi ist eine Sandbox zu der ich zurückkehren kann, wenn etwas raus muss.
Ich meine, klar, der tickende Größenwahn im Stammhirn ist noch da und lässt mich Pläne machen. Nur das mit der Übernahme der Weltmacht hab ich gestrichen, es wäre arg viel Papierkram.
Als Pendlerin, die die letzten Wochen fast jeden Tag mit dem konfrontiert wurde, was an den Bahnhöfen in München und Rosenheim passiert, wurde die Perspektive ohnehin nochmal zurecht geschüttelt. Mit großen Pfeilen, die mich darauf hinweisen, dass eine vorhandene Familie, ein Dach über dem Kopf und die Flasche Rotwein die neben mir steht, genug sind, um nicht ins Jammern zu verfallen.
Und weil es auf nichts davon eine Garantie gibt und die Welt sich schneller und drastischer verändern kann, als es uns lieb ist, lerne ich gute Momente zu schätzen.
Im Englischen gibt es die schöne Wendung „to be content“, die auf deutsch wenig elegant mit „sich begnügen“ übersetzt wird. Für mich ist es kein Begnügen, sondern ein Anerkennen.
Gut, schlecht, okay oder kompliziert – ich erkenne es an und gehe weiter.
Vielleicht schreibe ich in 10 Jahren wieder so einen Eintrag. Vielleicht habe ich dann einen Ehemann (unwahrscheinlich), eine Eigentumswohnung (in Südbayern nur nach Lottogewinn) oder eine eigene Firma (kann man Sarkasmus monetarisieren?) – und das ist dann auch okay.
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