Hochwürden Herr Sepp

Kurzer Nachtrag zu Allerheiligen. Weil: Irgendwas ist ja immer.

Unter anderem das große Comeback des Trachtenjankers quer durch alle Generationen. Nicht, dass der wirklich weg gewesen wäre, aber es fällt halt auf.

Symbolbild einer sterbenden Friedhofskultur

Dann: eine seltsam chaotische Friedshofs-Prozedur. Lautsprecher die nicht funktionierten und daher Weitergabe der aktuellen Sprechformel via Flüsterpost. Irgendwann kam es dann zum dritten Vater Unser, die Fürbitten und mindestens ein Musikstück fehlten völlig. Wir hätten misstrauisch sein müssen.

Zu früh und zu schnell im Programm kam schließlich der Umzug des Pfarrers mit dem Weihrauch.(Der bis dato auf der anderen Seite des Friedhofs für uns kaum hörbar seine Show gemacht hatte.) Jetzt standen die R. und ich mit dem Rücken zum herannähernden Zug auf der einen Seite des Grabes. Meine Tante E. und meine Mutter uns gegenüber. Als der Zug näher kommt sehe ich die Gesichtszüge mir gegenüber entgleisen.

Es kam: Der Pfarrer St. Da muss ich jetzt kurz ausholen.

Als wir vor etlichen Jahren vom Heimatdorf meines Vaters ins Chiemgau zogen, war ich gerade im Kommunionalter und hatte den Religionsunterricht beim Pfarrer St. Ich fand es anfangs amüsant, dass er seine Stunden hauptsächlich mit dem Singen von Lauda tu si bestritt. Dann gab es irgendwann eine Informationsveranstaltung für Eltern der Kommunionkinder.
Von dieser kam meine Mutter, leicht aus der Fassung, zurück.

„Jessas Maria, des is ja der Hochwürden Herr Sepp.“

Die Sippe St. stammt natürlich auch ausgerechnet aus dem gleichen Kaff wie meine Mutter und sie hatte bereits unter seinem älteren Bruder als Chorleiter gelitten. Dass nun der Hochwürden Herr Sepp ausgerechnet hier wieder auftauchte war das eine, dass er sich so über ein bekanntes Gesicht wie meine Mutter freute das andere. Sie, ich und meine Schwester R. standen fortan unter spezieller Beobachtung.

Was ansonsten keine schlimmen Folgen gehabt hätte, weil wir unser Christen-Dasein nicht gerade dramatisch pflegen. Nur, wie gesagt, die Kommunion. Wer die Kommunion erhalten wollte hatte sich gefälligst einige Male in der Kirche einzufinden und eigentlich auch Fürbitten zu lesen. Was ich dann auch tat.

Es stellte sich heraus, dass der Hochwürden Herr Sepp, so er denn ein volles Haus hatte, lieber sang als predigte. Wobei, er predigt auch gern lang und enthusiastisch. Aber noch lieber singt er. Drei Strophen mindestens. Überhaupt lag ihm die musikalische Untermalung eines Gottesdienstes immer sehr am Herzen. So sehr, dass er auch fertige Programme von aufopfernden Kinderchorleiterinnen gern am Tag vorher komplett über den Haufen geworfen hat. (Ja, ich war im katholischen Kinderchor, jetzt tun sie nicht so empört.)

Noch letztes Jahr hat er eine Freundin von R. vermählt und der Kampf um die musikalische Untermalung drohte den Pfarrer und die Zukünftigen zu entzweien.

Zwischenzeitlich hat man dem Pfarrer St. dann wohl doch nahe gelegt in den Ruhestand zu gehen. So jedenfalls unsere Rekonstruktion bis hierher. (Die Recherchen laufen noch.) Und weil der Hochwürden Herr Sepp aber gar so gern Pfarrer ist, muss er sich irgendwie in seiner alten Heimatgemeinde eingefunden haben.

Wo er zum Schrecken meiner Mutter durch die Reihen glitt. Neben mir die R. daraufhin: „Wie weit müssen wir eigentlich fahren, um nicht immer den gleichen Leuten zu begegnen?“

Wir überlegten kurz nächstes Jahr das Grab der anderen Familienseite zu besuchen. Dann fielen uns Grundschullehrer und dergleichen ein. Nein, es hilft nichts. Gut, dass Lauda tu si nicht zu Allerheiligen passt.

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