Als ich 5 war, hab ich mir Buchstaben zu Wörtern zusammen klamüsert. Weil die offensichtlich der Schlüssel zur Machtübernahme waren. Und Mama dauernd gelesen hat. Mit 7 wollte ich von Beruf ‚Astrid Lindgren‘ werden. Weil: eh klar.
Mit 10 hatte ich die Kinder – und Jugendbuchabteilung unserer kleinen Bücherei durch. Es half dauernd in Wartezimmern sitzen zu müssen. Mein durchschnittlicher Buchverbrauch trieb anderen Leuten die Tränen in die Augen.
Mit 12 wollte ich Journalistin werden. Oder Anwältin. Wegen John Grisham. Durch Isolation in der Schule und regelmäßige Krankenhausaufenthalte hatte ich als Teenager alles gelesen was Agatha Christie, Erich Kästner, Christine Nöstlinger und Arthur Conan Doyle jemals veröffentlicht haben. Von Harry Potter mal ganz zu schweigen. Da mussten es dann die englischen Bände sein, weil: sofort.
Wohin ich ging, ich hatte ein Buch dabei. Was sollte man schließlich sonst tun. Vorlauter Bedarf las ich Goethe und Schiller, Austen, Irving und frühpubertär enthusiastisch Nietzsche.
Dann kam das Studium, inklusive plötzlichem Kontakt mit anderen Menschen. Oh, und das Internet. Ich meine, online war ich schon lang. Darin dauernd gelesen und geschrieben hatte ich auch. (Wir haben noch Fanfiction mit Plot statt Sex geschrieben. Man muss sich das mal vorstellen. Es waren aber auch die späten 90er.)
Aber das war… passiv. Und mehr so hin und wieder. Ich las Zeitungen und Bücher. Im Internet hab ich mir nur mehr Lesestoff bestellt. Mittlerweile gab es aber Blogs. Und Serien. Serien! Ich hatte ja bis anno 2007 keine Ahnung was Doctor Who ist. Laut myepisodes.com hab ich bis heute ein knappes halbes Jahr mit dem gucken von Serienfolgen verbracht.
Worauf ich hinaus will: Die Bücher haben gelitten. Meine abendlichen 50 Seiten fielen bald Staffeln von Dr. House und Buffy zum Opfer. Auf Zugfahrten kämpfte ich mich zwar noch durch die Fälle von Dr. Brennan oder dem Brenner, aber unterbrochen von Blicken auf’s Smartphone um Twitter zu checken.
Die Konzentration die es braucht um sich in ein Buch zu stürzen, sich darin zu verlieren, sie ging langsam flöten. Gut, ein Buch pro Woche brachte ich immer noch durch, aber es fühlte sich fast ein bisschen verpflichtend an. Weil kluge, coole Leute schließlich lesen. Und es doch so viele tolle Bücher gibt.
Wie konnte das passieren? Schließlich liebe ich Bücher. Und wir reden hier von einer großen, lebenslangen, über alle Krisen hinweg – Liebe. Ich war verknallt in den Wortschatz von David Foster Wallace und wollte mit Amélie Nothomb über Friedhöfe schlendern.
Was also tun? Zuerst hab ich mich durch Genres probiert. Endlich Neil Gaiman gelesen, es mit Biographien versucht, Popliteraten wieder entdeckt und es sogar mit Historien-Romanen versucht. Aber all die neue Medizin half nur kurzfristig. Das Feuer fehlte. Die Beziehung zwischen mir und den Büchern hatte diese kalte, routinierte Phase erreicht über die andere Leute gerne Romane schreiben und die der Feuilleton dann ‚analytisch‘ nennt und ihre ‚komplex gezeichneten Bilder zwischenmenschlicher Beziehungen‘ lobt.
I got carried away there, for a moment.
Irgendwann fiel mir auf, wie sehr ich überlegte was ich lesen sollte anstatt zu lesen was ich will. Ich habe bis heute keine Zeile der ‚Hunger Games‘ oder irgendwelcher Grautöne gelesen. Auch keines der Bücher von ehemaligen Moderator_innen des Musik-Fernsehens. Und von den Twittereren die mittlerweile Autor_innen sind auch nur homöopathische Dosen.
Während ich sonst kein Problem damit habe mich popkulturellen Trends zu verschließen (LOST nie gesehen, Roche und Böhmermann nur mal reingezappt, ich weiß nicht wer Olli Schulz ist und dachte, dass Cro und Casper ein und dieselbe Person sind.) dachte irgendein Teil von mir, dass ich die Sache mit dem Bücher-Lesen tatsächlich FALSCH machte.
Meanwhile folgte ich auf Twitter einer jungen Frau, die ständig irgendwas von Nerdfightern und John Green und DFTBA brabbelte. Jedenfalls genug, um mein Interesse zu wecken.
Schon lustig, wie einen Dinge manchmal erwischen.
Ich will jetzt gar nicht groß von den Vlogbrothers reden, einem hinreißenden Projekt der Brüder John und Hank Green, die sich ein Jahr nur via Youtube-Videos unterhielten. Oder den Nerdfightern, einer Gemeinschaft von begeisterten jungen Menschen die sich im Sinne der beiden engagieren. Von Esther und der Foundation to Decrease Worldsuck, von Don’t Forget To Be Awesome und den Swoodlypoopers. Das würde auch verdammt weit führen. (Wobei, darüber sollte man mal reden. Demnächst. Mal Fee fragen.)
Die Pointe kommt jetzt: John Green schreibt Bücher. Er schreibt das, was im englischen YA – Young Adult Fiction – genannt wird. Bücher aus der Zwischenwelt. Die Welt in der Menschen noch nicht ganz erwachsen aber auch offensichtlich keine Kinder mehr sind. Und die Dinger die ihnen passieren. Die sind oft mystisch, magisch und irrational ohne wirklich Fantasy zu sein. Weil diese Zeit ja genau so ist.
Ich hatte schon einige Videos gesehen und war längst Fan der beiden Greens, als ich endlich anfing John Greens Bücher zu lesen. Und seitdem wieder Bücher verschlinge. Die Bücher aus der Zwischenwelt. Einen kurzen Moment hatte ich natürlich ein schlechtes Gewissen. Ich bin zu alt dafür. Ich sollte kluge, erwachsene Dinge lesen. Mich durch Siegfried Lentz quälen oder wenigstens irgendeinen dieser tollen neuen Regionalkrimis lesen. Ich sollte. Ach fahr doch zur Hölle, du ’sollen‘, ich mach das jetzt ohne dich. Ich lese jetzt kluge, poetische Bücher für Menschen deren Weltbild noch so unfertig ist wie die Welt selbst.
Jetzt grade ist es The Secret History und als nächstes wartet Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children auf mich. Ich freue mich wie ein Schnitzel auf die Perks of being a wallflower und let’s pretend this never happened. (Ich verlinke ja nur nicht auf Amazon, um eure Geldbeutel zu schützen.)
Das Feuer ist wieder da. Ab jetzt lese ich nur noch wonach mir ist. Und wenn ich grade mal nicht lesen will, ist es okay. Die Welt ist bunt und es passiert irrsinnig viel und manchmal springt (nun ja. Springen tu ich selten) man durch die Gegend und kommt zu nichts, dafür wird man auch irgendwann wieder fest getackert und dann hat man besser ein Buch zur Hand.
P.S.: Es gibt Blogger, die können schreiben. Lesen sie darum als nächstes Ashby House und Bad Hair Years. Die lohnen sich nämlich.
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