über das Verlieren

Paul Gascoigne, vermutlich nach Elfmeterschießen. (ich ertrage noch keine FCB-Bilder)

Dieser Eintrag liegt mir eigentlich schon eine Weile auf der Seele. Und ich dachte, och, das hat ja Zeit. Aber ich weiß nicht, ob sie’s mitbekommen haben, da war so ein Fußballspiel am Samstag. Und das Team an dem mein Herz hängt, nun ja. Und jetzt muss es doch raus.

Und um ehrlich zu sein mag ich jetzt gar nicht darüber reden wie tief traurig ich bin. Und wie mir die Bilder von Bastian Schweinsteiger immer noch das Herz zerreissen. Auch das philosophieren über das Glück/Pech, Elfmeterschießen und egomanische Holländer mag mir gerade keinen Spaß machen.

Aber ich glaube, wir müssen mal übers Verlieren reden.
Denn was ich so gelesen habe, scheint man sogar das falsch machen zu können. Oder?

Zum Beispiel ging gerade eben über den Ticker, dass nachdem der erste Widerspruch von Hertha BSC wegen des verqualmten Relegationsspiels abgelehnt wurde, der berliner Verein die nächste Instanz anstrebt. Und schon wird es auf Twitter wieder besser gewußt. Sie sollen es *hust* wie Männer nehmen. Sich nicht lächerlich machen.

Ah ja. Rechtliche Mittel ausnutzen, um möglicherweise zu verhindern, dass man als Unternehmen ca. 15 Mio. € verliert ist „lächerlich machen“.
Genauso wie es „respektlos“ ist, wenn die geschlagenen Bastian Schweinsteiger und Mario Gomez irgendwelchen Leuten nach der Niederlage nicht die Hand schütteln oder sich brav ihre Silbermedaille umhängen.

Sagt mal Freunde, habt ihr noch nie verloren?
Kennt ihr wirklich nicht den Schmerz, wenn man für etwas gekämpft hat, nur um es am Schluß nicht zu bekommen? Vielleicht wegen eines blöden Fehlers, vielleicht weil andere besser waren oder einfach nur weil die Kraft nicht mehr gelangt hat. Wochen- , monatelange Arbeit. Vielleicht sogar Jahre des eigenen Lebens, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Aber am Ende steht man mit nichts da. Die besten Wünsche und Bestätigungen, dass man es verdient gehabt hätte, dass es Pech war – sie klingen wie Hohn. Nur: the fucking show must go on. Also los, Kopf hoch. Lächel doch mal in die Kamera!
Nur damit dann ein moralischer Vollidiot beurteilen kann ob man ein „guter“ ein „braver“ Verlierer ist?

Fuck that shit.

Ich gebe zu: ich bin da auch schuldig. Ich habe bis jetzt immer mit dem Kopf geschüttelt wenn Sportler die eigene Niederlage auf andere Dinge schoben. Die Technik hat versagt. Eigentlich war ich noch verletzt. Der Gegner hat mich abgedrängt.

Wir sind darauf trainiert, dass diese Heroen gefälligst noch tiefgründige, selbstkritische Interviews nach einer herben Niederlage geben sollen. Wir erwarten, dass sie mit Anstand und Würde ihre Niederlage eingestehen. Wir wollen, dass sie besser sind als wir selbst.

Während wir uns mit Herzblut für die Toleranz von allem und jedem einsetzen, sind wir hier zackig mit dem moralischen Zeigefinger zur Hand. Pfui pfui, böser Verlierer.
Ja, es gibt Grenzen. Kein Verlust der Welt rechtfertigt Gewalt, Aggression und Zerstörung (Ja, Pyrotechnik ist Zerstörung. Keine Emotion. Hört auf solchen Blödsinn zu erzählen.). Es gibt völlig natürliche Grenzen im menschlichen Verhalten die für eine Gesellschaft zumutbar sind. Wir selbst sind die Schafe, die die Zäune enger machen wollen. (Okay, die Metapher hab ich versaut. Egal.)

Wenn also Fußballer X sich wie ein Kind auf den Boden wirft und weint, wortlos an Reportern vorbei rennt und verdammt nochmal keinen Bock darauf hat einem Bundespräsidenten (wer auch immer das grade ist) die Hand zu schütteln, dann habe ich ab jetzt eines dafür: Verständnis.

Ich denke dann an meinen eigenen Schmerz, wenn ich Kämpfe verloren habe und mich in eine tiefe Höhle am Ende der Welt verziehen wollte. Ich werde Verständnis dafür aufbringen, dass Menschen, so wie mit allen Dingen, auch mit dem Verlieren unterschiedlich umgehen. Es gibt die, die reden wollen. Und die, die sich zurück ziehen müssen. Ein paar müssen sich erstmal betäuben, weil der momentane Schmerz, die Realisierung des Nichterreichten zu viel ist.
Und einige werden Ausreden suchen. Sie werden erstmal darüber reden wie unverdient der Gegner gewonnen hat, wie schlecht die Umstände waren, dass die Umgebung zuviel Druck aufgebaut hat.

Because that’s what people do.

Wir sind nicht immer und sofort restlos ehrlich uns gegenüber. Manchmal brauchen wir unfassbar lange, sind die letzten die es begreifen. Zu sehr hatte sich unser Kopf schon auf Sieg eingestellt, hatten wir heimlich schon die kleine Siegesfeier inklusive Ansprache geplant. Das innere Bild von sich selbst als Held kann eine mächtige Motivation sein. Und uns im Falle der Niederlage komplett verblenden.

Das ist okay. Wirklich.

Ab heute gibt es für mich keine schlechten Verlierer mehr. Zu verlieren ist hart genug. Wer bin ausgerechnet ich, dass ich auch noch Ansprüche an das Verhalten von anderen in einer solchen Situation stelle? Eben.
Natürlich, ob Sport oder andere Dinge, es soll Spaß machen. Die Wettkämpfe sind nur eine Ausprägung davon. Und tatsächlich: Gewinnen ist nicht alles.
Es ist nur ein ziemlich gutes Gefühl

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(Ja, dies ist eigentlich ein zutiefst selbstreflexiver Blog-Eintrag. Mir ist klar, dass es offensichtlich ist. Damit kann ich leben.)

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