Das Dirndl-Dilemma

Von Links: Meine Schwester R., das Nachbarskind S., Cousine F. und yours truly

Ein Dirndl ist keine Verkleidung. Es braucht keine Heidizöpfe, es braucht keine roten Bäckchen, man muss die Lieblingsbands nicht via Buttons auf der Dirndlbluse kundtun, im Bierzelt geht jeder noch so hervorragende Musikgeschmack sowieso sofort über Bord. Es braucht erst recht keine Chucks oder Stiefel oder Timberlands oder Netzstrümpfe untendrunter. Das einzige Adjektiv, das eine Frau im Dirndl dabeihaben sollte ist: sauber. Sauber gewaschen, sauber gekämmt, sauber innendrinnen. Und zwar bitte mindestens bis zur dritten Maß. Maß. Nicht Maas.

Und ich dachte, wenn ich diesen Artikel oft genug verlinke, ist es auch gut damit. Aber das ist es nicht. Es wird nur noch schlimmer. Momentan ist wieder Saison. Für all die Herbst – und Volksfeste. Und die Wiesn, Mutter aller Dirndl-Verirrungen steht quasi schon vor der Tür.

„Dir kann man es aber auch nicht recht machen. Es sind doch bloß Dirndl!“ sagte meine Schwester entnervt, nachdem wir eine Runde über das Rosenheimer Herbstfest gedreht hatten. Nur Dirndl? Ah ja. Es ist aber eben eine Tracht. Es steht in einer Reihe mit dem Sari, einem Kimono und den putzigen Hüten der Mädels aus dem Schwarzwald.

Als geborene Bayerin steht es mir im übrigen zu, derartige Urteile zu fällen. Ich darf auch über Bayern, die CSU und die katholische Kirche schimpfen so viel ich will. Qua Geburtsrecht. Stattdessen versuche ich mich plötzlich zusammen zu reißen während Cindy und Nancy aus Dortmund oder Rostock sich in an Dirndl erinnernde Polyester-Fetzen zwengen. Dazu tragen sie mit Glitzersteinchen besetzte Tascherl und flechten sich die Haare zu krummen Zöpfen. Bei derlei Anblicken schnellt bei mir mittlerweile fast automatisch der Finger nach oben und ganz wie meine Großmutter, Gotthabsieselig, fängt eine kleine Stimme in mir an zu dozieren, warum das alles so nicht geht.

Daher biete ich heute mal eine exklusive Service-Leistung hier im Blog an. Einen Grundkurs. Was ist eigentlich ein Dirndl, wer darf das anziehen und was gehört alles nicht dazu? (UND DIE NÄCHSTE FRAU DIE ICH IN KURZEN LEDERHOSEN ERWISCHE MELDE ICH DER TRACHTEN-POLICE. DAS IST MEIN ERNST. IHR TRETET MEIN BRAUCHTUM MIT FÜßEN DIE NOCH DAZU IN CHUCKS STECKEN.)

    [UPDATE]
    Weil gerade diskutiert wurde, WER denn nun so ein Dirndl tragen darf. Ganz ehrlich: Wenn es ein ordentliches Dirndl ist, wenn man sich der Tradition zumindest im Ansatz bewußt ist und nicht nebenher Witze über meinen ach so putzigen Volksstamm macht, bin ich da mittlerweile tolerant. Was heißt es heute schon „Münchner“ zu sein? Es gibt Menschen die seit Generationen hier leben und trotzdem dialektlos und als Vegetarier ihr Dasein fristen. Warum sollten die mehr Recht auf die Tracht haben als jemand der als ernsthaft enthusiastischer Besucher von außerhalb kommt?

    Natürlich sollte die ursprüngliche Tracht, wie z.B. die Tegernseer Variante auch den dort Ansässigen vorbehalten sein – aber ein Dirndl an und für sich, mit Respekt und Würde getragen ist das recht für jeden inneren Bayern. Da sollte ein Geburtsort nicht im Wege stehen.

    Wie gesagt, ein ORDENTLICHES DIRNDL. [/UPDATE]

    Wir fangen unten an, bei den Schuhen. Es müssen keine Haferlschuhe sein, wenn man nicht im Trachtenumzug dabei ist. Aber Chucks, Ballerinas und High Heels gehen eben nicht. Schlichte dunkle Schuhe mit Maximal 3 Zentimetern Absatz, damit kann man kaum falsch liegen. Und Finger weg von allem, auf dem Swarovski steht!

    Das Beinkleid? Simpel: Wenn kalt dann Strumpfhose, wenn nicht dann Nichts. Nichts, was auch nur im entferntesten Ähnlichkeit mit einer Leggins hat, darf sich in einem 5 Meter – Radius zum Dirndl befinden, ARE WE CLEAR?
    Aber davon sollte ohnehin nicht viel gesehen werden, weil ein ORDENTLICHES DIRNDL MINDESTENS ÜBER DEM KNIE ENDET. Ich kann diesen Punkt nicht oft genug wiederholen. Als wäre Donna Doras Geist in mich Gefahren, will ich mit dem Maßband an die Scharen junger Damen herantreten, die glauben, es wäre okay, dass ihr Rock knapp über den Hinterbacken endet. Ist es nicht. Ganz und gar nicht.

    Überhaupt, der Rock. Keine Spitze, kein Polyester, keine Neonfarben und ordentlich gereiht muss er sein. Gereiht? Ja, das ist der Ausdruck für die schönen Falten, in denen ein guter Rock im Rücken liegt. Dafür braucht es viel Stoff, Baumwolle oder Seide. Verdammte Axt, ein ordentliches Dirndl ist auch eine Investition, zefix.

    Das geht natürlich nahtlos über in den oberen Teil des Kleids. Da darf der Stoff leichter sein, aber ordentlich genäht muss er sein. Glitzern sollte maximal das Charivari. Ein bisserl Spitze darf sein, aber für Anfänger gilt: Vorsicht!

    Wir haben also Schuhe und ein Kleid. Was brauchen wir noch? Richtig, eine Bluse. Bereits hier fallen viele, sogar einheimische Madln durch’s Raster. Dabei ist es ganz einfach: Sie ist weiß und aus Baumwolle. WEIß. Nicht schwarz, nicht transparent, nicht gold oder irgendeine dieser gottlosen Varianten. Im Ausschnitt darf gern gerafft werden, es soll ja gezeigt werden was man (Frau) hat. Bitte die Bluse nicht zu knapp kaufen, größenmäßig. Die Arme müssen beweglich genug bleiben, um einen Maßkrug zu heben. Und diese ganze Hände zum Himmel – Angelegenheit natürlich.

    Das sieht doch bis jetzt ganz ordentlich aus. Und nun? Das Icing on the Dirndl-Cake: die Schürze. Das Schürzen-Band darf schön breit sein, es muss ja gut sitzen. Außerdem ist sie sauber abgenäht und endet maximal eine handbreit vor dem Rock. Sie hat keine Pailletten oder Buttons, sie passt farblich zum Kleid, steht aber nicht in totalem Kontrast. Auf ihr sind weder Totenköpfe noch Sonnenblumen. Ganz einfach beim Dirndl-Kauf einen Bogen um diese Dinge machen und ihr seid schon halb im Bierzelt.

    Jetzt wären wir Trachten-mäßig schon sauber beisammen, wollen es uns aber nicht an der Ziellinie versauen.

    Ein gutes Dirndl braucht nur wenig, sehr wenig Schmuck. Je opulenter das Charivari, desto weniger am restlichen Madl. Ansonsten: Ein schönes Kropfband, eine kurze Kette mit gutem Anhänger ODER ein filigranes Armband. Erneut ist schlichter stilvoller. Kein Edelweiß oder Hirschhorn, kein „I hob di liab“ oder Thomas Sabo Bierkrug. Ein Herz, ein Stein, kein Brimbamborium. Ähnliches gilt für den ultimativen Kopfschmuck, die Haare.

    Nichts gegen Zöpfe, aber ein guter Zopf braucht ein gewisses Grundvolumen. Darunter sollte man die Federn nicht flechten. Heute haben nicht mehr alle Frauen hüftlange Mähnen und das ist auch okay so. Man darf Haare offen tragen. Die klassische Variante ist natürlich hochgesteckt. Aber nicht so wie die Mädchenbilder, die ihr auf Tumblr klickt, mit Strähnen die irgendwo rumfliegen, sondern g’scheid. Mit Haarnadeln und so. Gut gemacht hält das natürlich lange durch, ist aber nichts für arg spontane Wiesn-Gängerinnen.

    Mit einem Lächeln überlegen wir jetzt noch wohin die Schleife der Schürze schaut und können husch tusch auf ins Getümmel!

P.S. Lederhosen sind ein ähnlich gefährliches Terrain. Liebe Herren der Schöpfung: Schaut kritisch in den Spiegel, schaut euch eure Arme und die Wadl an. Ist das die Figur für ein solches Hemd? Ist da genügend Wadl-Substanz für eine Lederhose? Habt ihr einen Hang zum Hipster-Styling? Dann lasst es. Die momentan auftretende Spezies der Lederhosen-Hipster ist so ziemlich das unattraktivste, dessen ich seit langem ansichtig wurde.

P.P.S.: Es gibt keinen Uniform-Zwang auf einem Volksfest. Es ist komplett in Ordnung nicht im Dirndl sondern im Sommerkleid oder in Jeans dorthin zu gehen. Eigentlich gehört man damit dann schon zu den Rebellen und ist ergo schon wieder cool. Denkt mal drüber nach.

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