Decisions are made by those that show up – ein Demokratiestöckchen

Wer mir an anderer Stelle im Internet folgt, weiß, dass ich ein glühender Fan einer schon vor Jahren zu Ende gegangenen Serie namens „The West Wing“ bin. Die von Aaron Sorkin (eine Frage der Ehre) entwickelte Show, ist eine Art Blick hinter die Kulissen des weißen Hauses. Der liberale Demokrat Präsident Bartlet ist im Gegensatz zu vielen fiktiven Staatschefs aber kein Held, der gegen alle Widerstände revolutionäre Gesetze durchbringt oder überdimensionale Erfolge feiert. Im Gegenteil. Er scheitert, immer wieder. Am in der Mehrheit republikanischen Kongress, an den Limitationen der Diplomatie, an der Langsamkeit des politischen Prozesses. Genau das macht die erzählten Geschichten aber so gut. Ewige Verhandlungen, Gesetze die mit bösen Fußnoten durchgewunken werden und der oft kaum wahrnehmbare, inkrementelle Fortschritt wirken erschreckend authentisch. The West Wing kann man nur mögen, wenn man anerkennt, dass der demokratische Prozess und radikale Umstürze nicht zusammen gehen.
Was mich zu meiner komischen Idee bringt. Heute Abend hat ein Bundesland gewählt und einmal mehr herrscht Kopfschütteln über das Ergebnis. Die politischen Lager verkaufen entweder sich selbst als Sieger oder weisen darauf hin, dass die anderen wenigstens auch verloren haben. Die Filterblase schüttelt ein bisschen hochnäsig den Kopf über Protestwähler und „die anderen“, die es einfach nicht begreifen.
Ich habe mich gefragt, ob es einen Weg gibt, über Politik zu reden, ohne politisch zu werden. Das hier ist mein Versuch: Ein Stöckchen zum Thema Demokratie. 5 Fragen, die eine innere Haltung zum System reflektieren sollen und neben einem selbst womöglich sogar einen potentiellen Leser daran erinnern, dass die Erfolgsquote der Demokratie-Alternativen eher so mittelgut sind.

  • Was bedeutet der Begriff Demokratie für dich – unabhängig von seiner Definition?
  • Ich glaube grade durch die zuletzt großen Schwankungen im politischen Diskurs, ist Demokratie für mich das Versprechen, dass sich Dinge ändern können. Demokratie heißt das Recht auf Mitwirkung und auf Mehrheitswillen. Wenn der Mehrheitswille nicht meiner ist, kann ich versuchen andere von meiner Meinung zu überzeugen, damit sie ihr Mitspracherecht nutzen. Demokratie ist aber eben auch die Pflicht die Stimme der Minderheit anzuhören. Sie zu ertragen, auszuhalten. Ohne Zensur, ohne Verbot und ohne Repressionen. Egal wie entgegengesetzt die politische Haltung eines anderen Menschen zu meiner ist – seine Stimme zählt genauso viel wie meine und das muss auch so sein. Demokratie ist chaotisch und anstrengend – Gottseidank – so kann ich mir sicher sein, dass keine gigantische Verschwörung in Wirklichkeit alles regelt. Weil in der Demokratie sagt immer irgendwer die Wahrheit, ob aus Versehen oder mit Absicht ist halt nicht immer ganz klar.

  • In welcher Form bzw. unter welchen Umständen könntest du dir vorstellen dich außerhalb der Stimmabgabe politisch zu engagieren? Anders gefragt – was hält dich ab?
  • Auf dieser Frage kaue ich schon sehr, sehr lange rum. Manchmal ist die Antwort einfach. Politik und Rückgrat passen nicht zusammen, der Prozess zermürbt und macht entweder zynisch oder korrupt. An anderen Tagen frage ich mich, ob ich nicht einfach zu Feige bin mich eindeutig zu positionieren, mich zu assoziieren. Eine Partei zu unterstützen kann einen ja in Kalamitäten stürzen. Setze ich mich für einen Menschen in der Partei ein, auch wenn er sich unglücklich/dumm/falsch geäußert hat? Ab der wie vielten Richtungsentscheidung „meiner“ Partei die ich nicht unterstütze, muss ich meine Mitgliedschaft in Zweifel ziehen? Ist es vertretbar sich aus pragmatischen Gründen und dem Willen zur Veränderung einer großen Partei anzuschließen, auch, wenn ich in vielerlei Hinsicht anders denke? Ein Dilemma. Es gibt auch Tage, da debattiere ich lang und ausgiebig mit Leuten die anderer Meinung sind und wenn ich ihre Perspektive am Ende nur ein paar Millimeter verschoben habe, fühle ich mich als aktive Demokratin. Vielleicht wird es Zeit sich nach Alternativen umzusehen. Interessensverbände oder Plattformen für bestimmte Anliegen statt einer Partei die fast immer zu breit aufgestellt ist, um meine Haltung zu reflektieren.

  • Kannst du dir vorstellen freiwillig in einer anderen Regierungsform als der Demokratie zu leben? Falls ja, in welcher?
  • Wenn ich sehr betrunken bin, klingt eine Monarchie lustig. Aber sonst? Nein. Ich hab in Geschichte aufgepasst.

  • Hast du schon einmal „aus Protest“ gewählt? Wenn nein, kannst du es dir vorstellen? Oder wäre Nichtwählen deine Form des Protests?
  • Nein. Der Gedanke kam schon auf, aber am Ende saß ich jedes Mal vor meinem Wahlzettel und war mir zu bewußt, dass selbst eine einzelne Stimme eben doch zählt. Weil es immer auch Menschen geben könnte, die eine solche Wahl ernst nehmen. Wobei ich Stimmen für Nischenparteien nicht als Protest empfinde. Es ist halt Demokratie light. Ich könnte z.B. die Partei zum Schutz der deutschen Grammatik (die sollte es geben) wählen und hätte zwar vollumfänglich und mit bestem Gewissen meine Stimme abgegeben, hätte aber halt keinerlei Einfluss auf die Koaltionsbildung. Im Übrigen dazu: Siehe Antwort 1. Demokratie heißt Veränderung. Wenn ich genug Menschen von der Partei zum Schutz der deutschen Grammatik (PSG?) überzeuge, sitzt sie vielleicht irgendwann im Landtag/Bundestag.
    Und Nichtwählen ist halt irgendwie feige. Verständlich, nachvollziehbar und in Zeiten von scheinbarer Dauerstreiterei auch verführerisch – aber feige. (Außerdem bin ich am Ende des Tages die Tochter meines Vaters und während das Verständnis für Töchter grundsätzlich keine Grenzen kennt, es endet ziemlich sicher beim Verweigern des Mitspracherechts.)

  • Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem politischen Gegner – unter allen Umständen? Gibt es eine Alternative zur Diplomatie?
  • Ach herrje. It’s complicated. Oder eigentlich nicht. Weil die bis hierher getesteten Alternativen zum komplizierten Tanz der Diplomatie kosten am Ende mehr. Sanktionen treffen Menschen, die vielleicht gern ein demokratisches Mitspracherecht hätten und Krieg ist, nunja, Krieg. Also ja, so lange niemand Protokoll Dr. Strangelove initiiert, wird geredet. Auch mit Diktatoren, Idioten und Seehofern. Verhandeln, aushandeln, zähe Schritte gehen. Egos streicheln und notfalls die Presse nur mit der halben Wahrheit füttern. Wenn viele Jahre später die Aufzeichnungen auftauchen und wir erschrocken lernen, dass es vor vielen Jahren mal Spitz auf Knopf stand, wie wir hier sagen, sind Absprachen im Halbdunkel einer Eskalation vorzuziehen. Die einzigen Revolutionen die funktioniert haben, begannen mit einer Mehrheit die sich abgestimmt hat. Ob Paris oder Berlin, also kopflos oder blutarm, letztendlich muss am Ende jemand die Verantwortung übernehmen und bereit sein das entstandene Chaos aufzuräumen. Demokratie ist ein hartes Brot, aber man kann es teilen. Man kann es lehren und sich gegenseitig dafür respektieren, dass man sich an die Regeln hält. Der Demokrat, der mit einem Diktator spricht, wirkt zunächst womöglich schwächer. Aber sein Kopf wird oben gehalten von jedem einzelnen Wähler, der sich bewusst für ihn entschieden hat. Und vom Gegenwind, den er kennt, weil er dank der Demokratie weiß wie man andere Meinungen aushält.

Mein Wunsch wäre, dass so viele Blogger wie möglich die Fragen aufgreifen. Bis dahin freue ich mich besonders über die Antworten von Tim, der Kaltmamsell und, wenn sie wieder aus dem Urlaub da ist, Anne.

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