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Patschismus

Es ist ja immer so eine Sache, wenn das Internet lacht. Zuletzt hat ein großer Teil des Internets über kleine Kinder gelacht. Also, deren Namen. Auf dem Tumblr-Blog chantalismus.tumblr.com werden gar herrliche Geburtsanzeigen neuer Erdenbewohner gezeigt. Und warum? Weil ihre Namen ... aus dem Raster fallen. Und - zack! - es fand sich ein Grund, nicht darüber zu lachen. Das wäre Klassismus. Klassismus?
Klassismus bezeichnet die systematische Diskriminierung bzw. Unterdrückung einer Gruppe durch eine andere, basierend auf ökonomischen Unterschieden. Diese Unterschiede basieren nach dem Klassismus-Begriff wiederum auf den einzelnen Positionen im System von Produktion und Verteilung.
Sprich: Wer über Chantal und Kevin lacht, lacht über deren Eltern, die ja zwangsweise aus einem bildungsfernen Milieu kommen müssen. Ach, müssen sie?[1. Mir ist natürlich klar, dass Chantalismus und Kevinismus nicht nur lustige Kennzeichen hat. Damit hat sich auch die Wissenschaft beschäftigt. Trotzdem möchte ich hier konzentriert über das Spotten, nicht den direkten Umgang reden. Da verlange ich schlichtweg von jedem zivilisiertem Menschen den gleichen Respekt. ] Und schauen Sie, das ist die Stelle wo es für mich schwierig wird. Ich bin ja die erste die gegen Body-Snarking und Sexismus skandiert. Schließlich sind Geschlecht und der eigene Körper Dinge, die wir nur bedingt beeinflussen können. Darauf reduziert und deswegen herabgestuft zu werden empfinde ich als wirkliche Anfeindung. Und würden wir direkt über die Kinder lachen, wäre es auch hier wohl der Fall. Für meinen Teil, und ich empfinde dass ich ausnahmsweise einer Mehrheit angehöre, lache ich über Eltern, die sich im Hormonrausch für derlei Buchstabenkombinationen entschieden haben. Assoziiere ich dies mit deren Bildungsniveau? Nö. Aber lassen Sie mich erklären. Meine Leidenschaft für abstruse Namen existiert schon eine Weile und so habe ich mich auch schon an anderen Stellen im Internet amüsiert, wo die neuen Erdenbürger aufgezählt werden. (Wenn Ihnen mal an einem verregneten Sonntag-Nachmittag langweilig ist - die Foren, in denen werdende Mütter über Namen diskutieren sind ganz großer Sport.) Was ich dort schnell gelernt habe: Es ist nicht nur Gelsenkirchen. Es sind nicht nur Hatz4-Empfänger. Und wer denkt, es wären nur spezifische Gruppen (Klassen), die ihren Kindern gern seltsame Namen verpassen (Du! Bist! Eine! Einzigartige! Schneeflocke!), muss dringend mehr raus in die Welt. Oder vermuten Sie hinter den Geschwistern Mandy und Philadelphia die Eltern Herr Professor und Frau Dr.? Sie existieren. Nicht alle Akademiker nennen ihre Kleinen Emma und Paul. (Wenn die Eltern Waldorfschüler waren auch mal Emil und Paula.) Von der Spitzen-Idee Kinder Ophelia oder Ähnliches zu nennen, ganz zu schweigen. Macht es einen Unterschied ob die Kinder nach Miley Cirus oder der Lieblingsfigur aus einer Wagner-Oper benannt werden? Französischer Namens-Wahn ist nicht besser, klüger oder interessanter als englischer. Wirklich. Es existiert auch eine Freundin meiner Schwester die überraschend und sehr jung schwanger wurde. 8 Monate lang sammelten wir Namen, einer schöner als der andere. Wir haben nur einen Moment nicht auf sie aufgepasst, da müssen die Hormone zugeschlagen haben. Ihr Töchterchen ist heute eine von 3(!) Aaliyahs im örtlichen Kindergarten. Im beschaulichen Oberbayern. Die anderen Eltern? Vom Ingenieur bis zur Krankenschwester alles dabei. Nicht zuletzt ist "Chantalismus" ja auch sehr temporär und subjektiv. Als Mama-Patsch seinerzeit mit mir schwanger war zum beispiel. Der betagte Frauenarzt konnte nicht genau sehen, was es wird, ging aber aufgrund der schmalen Hüften (Ha! Infam! Lüge!) davon aus, dass ich ein Junge werde. Fortan standen zur Auswahl: Philip (meine Mutter), Franz Xaver (meine Großmutter) und Zebulon (Mein Vater. Eine Geschichte für ein andermal.). Wie sie hier lesen, kam stattdessen dann ich zur Welt und es galt zu improvisieren. Etliche klassische Namen waren in der Verwandtschaft schon vergeben und das schwarzgelockte Mädchen sollte ja auch nicht Katharina Nummer 3, Sandra Nummer 4 oder Monika Nummer 5 in der Umgebung werden. Da fiel meiner Mutter Isabella von Lospichl ein. Zusammen mit dem Mantra "eine Putzfrau heißt nicht Isabella" (okay, da war womöglich ein Hauch Klassismus im Spiel.) wurde so mein Vorname ausgesucht. Es konnte niemand ahnen, dass die Welt 25 Jahre später von Isabella Swan heimgesucht werden würde. (Ich habe also einen Extra-Grund Frau Meyer zu verabscheuen. Yay Me!). Wissen Sie welcher Name seitdem die Hitlisten weltweit hinauf klettert, Bildungsniveau oder nicht? Genau. Also lassen Sie uns lachen. Wenigstens bis es uns im Halse stecken bleibt.
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docu.fm

In den letzten beiden Wochen festgestellt:
  • Ich kann ohne Facebook und Google+ Apps auf dem Wischtelefon leben.Weil ich in beide Netze ohnehin nur noch sporadisch reinschaue und mich noch seltener etwas dort überrascht.
  • Dafür gehe ich nirgendwo ohne meinen Google Reader hin. Meine Feeds sind meine tägliche Lesegrundlage
  • Und: ohne Twitter geht es überhaupt nicht mehr. Wie konnte das passieren? Ausgerechnet das flatterhafte 140 Zeichen - naja, Netzwerk ist mir ernsthaft ans Herz gewachsen. Die Menschen, das Frotzeln, die schnelle Verbreitung von Informationen. Allerdings ist Twitter auch der Ort der losesten Beziehungen.
Damit verhalte ich mich im Internet letztendlich genauso wie im richtigen Leben. Beziehungen schließe ich aufgrund von Themen und dem Niveau der Kommunikation. Ein gutes Themenblog ist wie ein Sachbuch für mich, ich entwickle eine Beziehung dazu, es ist mein vertrautes Nachschlagewerk. Und die kurzen, spitzen Sätze auf Twitter sind mein Verbalsport. Vielleicht sollten sich Start-ups und insbesondere die mit einem "social" Aspekt mehr Gedanken darüber machen, wo die Grenzen der Vernetzung für ihre Zielgruppe liegen. Ich bin nicht zuletzt darum nicht bei Path, weil ich keine Lust habe ständig meinen Standort zu verraten. Ich glaube die nächste Nische öffnet sich für Dienste im Netz mit klaren Grenzen. Zum Beispiel finde ich die Idee zu dokumentieren was man so gelesen oder gesehen hat, wo man war und was man kauft durchaus spannend. Im Sinne eines eigenen Journals. Nur gibt es derlei momentan soweit ich weiß nur als offene Applikationen mit eigener Community oder Öffnung in Richtung Facebook und Twitter. Könnte ich bei gelesen Artikeln im Netz, gehörter Musik oder einem Ort den ich besuche via einer App oder einer Erweiterung des Browsers mich mit einem Klick daran erinnern (also in Form einer Art Kalender-Eintrag) fände ich das sogar schön und würde für einen entsprechenden Dienst (mit guter Verschlüsselung, versteht sich) Geld bezahlen. Stattdessen gibt es momentan Foursquare und Miso und Lovelybooks - alle mit Verbindung in die social Networks. Das beweist, dass Journaling (?) durchaus eine Art Trend ist. Schließlich führen die wenigstens von uns noch Tagebücher und haben Schwierigkeiten uns daran zu erinnern was wir noch vor 3 Stunden im Netz getan haben. Der Wunsch nach der Dokumentation ist verständlich, schließlich wandert unsere Aufmerksamkeit durch die Gegend wie eine Busladung Touristen durch die malerischen Altstädte Bayerns. Facebook weiß das und versucht mit der Timeline genau das darzustellen. Aber lieber öffentlich. Oder mindestens für Facebook selbst zugänglich. Nie nur für mich. So lassen sich besser große Muster entdecken und mit großen Mustern lassen sich besser Werbekunden an Land ziehen. Ich will aber nicht Teil eines Musters sein und trotzdem irgendwann mal sagen können "ach, da, im Januar 2012 hab ich viel von Neil Gaiman gelesen und In Treatment gesehen und ständig Rezepte aus Foodblogs ausprobiert.". Man könnte Produkte die man kauft, Bücher die man liest mit einer App durch den Barcode einlesen und später Kommentare hinzufügen. Oder sogar Bilder hinzufügen. Und zum eigenen Geburtstag gäbe es ein kleine Chronik des letzten Jahres. Gut, ich fange an rum zu spinnen. Ich schreibe momentan am Ende jeden Tages 5 Zeilen in einen privaten Posterous-Blog. Das ist schonmal ein Anfang. Aber es wäre irgendwie nett, wenn ich diese 5 Zeilen unter die Dokumentation eines Tage schreiben könnte, die ich selbst gebaut habe. Was habe ich gelesen, getwittert, gegessen? Ja, das ist ziemlich viel und die meisten Menschen werden nicht so viel Spaß an einer Datensammlung ihres eigenen Lebens haben. Und trotzdem klicken sie bei Facebook fröhlich ständig auf "like". Solange das nur ich sehen kann und die Daten ordentlich verschlüsselt werden. Wie gesagt, gern auch gegen Bezahlung. Bevorzugt sogar auf dem eigenen Webspace. Wäre sowas so schwer? Hallo Programmierer dieser Welt, ihr dürft die Idee gern haben, solange ich dann zu den ersten Usern gehöre.