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For a dreamer, night’s the only time of day.

(Blogtitel Zitat aus dem hinreißendsten Real-Action-Disney EVER, Newsies.) Das Internet beeinflusst einen ja mittlerweile überall. Also mich zumindest.  Irgendwann muss es dann auch in mein Unterbewußtsein vorgedrungen sein. Denn meine Träume spielen nicht in niedlichen Phantasiewelten oder wenigstens surrealen Beschreibungen, nein, die Meldungen kommen durch die Traumvisualisierung meiner Inbox. Oder einer Twitter-Reply. Oder einem Status-Update. Morgens wacht man also auf und checkt panisch auf dem Smartphone, ob die geträumte Katastrophe wirklich eingetreten ist. Oder man im Halbschlaf womöglich auf die Nicht-Meldung geantwortet hat. (Die Chancen dafür stehen erfahrungsgemäß 50/50.) Gestern Nacht beispielsweise. Eine Email mit dem Betreff "Suizid". Den Absender habe ich nicht erkannt. Dass es in der Email selbst, um jemandem ging von dem ich seit einiger Zeit nichts mehr gehört hatte schien absolut passend. Auch, dass sie nur sehr kurz und ohne weitere Erklärung war. Im Traum hinterfragt man nicht. Nein, selbst im Traum zappt man zum nächsten Medienkanal, hier Twitter, wo das ganze bestätigt wird. Via DM! An dieser Stelle schüttelt natürlich auch der geneigteste, zweinulligste aller Leser den Kopf. Vielleicht rät man mir im stillen zu einer digitalen Pause, zum Social-Network-Fasten, oder wie derlei heute heißt. Durchaus, der Gedanke kam mir schon. Aber! Halten Sie ein!  Tatsächlich war ich immer schon eine Kommunikations-Träumerin. Wenn ich mich an einen Traum erinnere, dann weil mir ein Gespräch / Telefonat  oder ähnliches einfach zu "echt" erschien. In meinen nächtlichen Gedankenbildern wurde nie geflogen oder gefallen, gerannt sowieso nicht. Ich hatte nicht mit Monstern (oder zählen Rechnungswesenlehrer?) oder Schurken zu tun. Mein Unterbewußtsein kann sich diese Ratio leisten, schließlich spinne ich den ganzen Tag vollkommen wach vor mich hin. Mit Monstern. Und Schurken.  Wo ich früher zum Frühstück torkelte und meine Schwester fragte, warum sie mich gestern Nacht geweckt hat und über Werkzeug reden wollte, scrolle ich heute mit angehaltenem Atem durch die Inbox. 

Sollte es Ihnen also, liebster Leser, ähnlich gehen: machen Sie sich keine Sorgen. (Aber vielleicht wäre es eine gute Idee den ersten Tweet des Tages in Zukunft erst nach dem Kaffee abzusetzen.)
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von der digitalen Unversehrtheit und analogen Hindernissen

My body is a cage that keeps me From dancing with the one I love But my mind holds the key You're standing next to me My mind holds the key Set my spirit free Set my spirit free Set my body free ("My Body is a cage" ; Arcade Fire) Weil das Problem ist das Danach. Nein, nicht ganz. Das wahre Problem ist die Angst vor dem Danach. Vor der Zeit, die man wieder mit möglichst wenig Bewegung verbringt. Weil schon der Augenblick, in dem der erste Zeh den Boden berührt, Schmerz von dort bis direkt unter die Kopfhaut schickt. Als wäre man mit dem Bein in eine Bärenfalle getappt und würde mit sie mit jedem Schritt weiter ins Fleisch treiben. Dazu die steifen Sehnen. Das Hinken. Der ganze Bewegungsapparat, der nach kurzer Zeit stellvertretend mitschmerzt, pocht. Davor habe ich Angst. Und darum kalkuliere ich. Kann ich es mir erlauben diesen oder jenen Schritt nach draußen zu tun? Ist es das wert? Will ich etwas unbedingt sehen, erleben und habe ich ein Sicherheitsnetz, wenn der Fuß schon früher versagt? Der Fuß. Mein Fuß. Mein dummer, unfähiger rechter Fuß. Wußten sie welcher der Peroneus-Nerv ist? Der Nervus peroneus profundus um präzise zu sein? Das wissen tatsächlich nur sehr wenige Menschen. Warum auch, der ist nur interessant wenn er nicht funktioniert. Sie merken, worauf ich hinaus will[1. Wobei ich nicht ohne Stolz anmerken darf, dass meine Sorte Fall sich nicht in der Wikipedia wieder findet. Zu speziell. Weil, seit Geburt. Daher unerklärlich. Ein Rätsel der Medizin. Ist manchmal auch unterhaltsam. Also, wenn man sich die Mandeln rausnehmen lässt und morgens aufwacht, weil der Oberarzt nach dem faszinierenden Unterschenkel greift, um ihn gegen halb sieben Uhr in der Früh ALLEN Assistenzärzten zu zeigen, zum Beispiel. Das ist , im Nachhinein, lustig. ]? Wenn Frank Ribery den Ball auf seinem Vorfuß balanciert und zwar so, dass die beiden letzten Zehen quasi einen Rand bilden der den Ball dort hält, dann sehen sie sehr gut, wofür man besagten Nerv braucht. Nun kommt man im Allgemeinen durchaus durchs Leben, ohne einen Fußball auf dem Vorfuß zu balancieren. Aber es gibt natürlich gute und schlechte Tage. Phasen. Schmerzen, manchmal ohne Grund. Dann verwandle ich mich in eine grimmige, vom Leben verwundete, alte Frau, die unbedingt alle Menschen aus ihrem Leben vertreiben will, damit keiner kommt und irgendwas von mir will. Damit keiner will, dass ich irgendwohin komme. Weil ich dann kalkuliere, Angst habe. Und darüber werde ich traurig, depressiv. Momentan ist eine schlechte Phase. Momentan stehe ich schon bei der kleinsten Unwegbarkeit vor einem mittleren Nervenzusammenbruch. Dann werde ich ein wenig sprachlos. (Ich! Sprachlos!) Wie soll man es den Menschen, die einen nicht kennen auch erklären ?(Hallo Internet! ) Ich habe so viele Jahre damit verbracht zäh und widerstandsfähig zu werden, nicht um Hilfe zu bitten oder wegen der Schmerzen zu schreien, dass ich jetzt lieber einfach Nein sage, anstatt zu erklären. Was dämlich ist, ich weiß. Aber, wenn jemand mit einem Problem wie meinem, einer quasi unsichtbaren Behinderung (und eigentlich ist das ein komplett übertriebener Begriff dafür) geschlagen ist, macht man so seine Erfahrungen. Man steht das ein oder andere Mal im Leben außen vor, während die Anderen weiter ziehen. Lachen. Einen Weg in Kauf nehmen. Man selbst steht vor der Wahl den Weg entweder anders zu bewältigen, nach Hause zu gehen oder die Zähne zusammen zu beißen, um den Tag danach mit der Bandage und Eisbeuteln zu verbringen. Egal wofür man sich entscheidet, es tut weh. Früher war das weniger ein Problem für mich, ich war schließlich glücklicher Eremit. Wenn es dann, was selten war, etwas gab, dass es Wert war, das sein musste - dann ging das irgendwie. Ein langer Einkaufsbummel im Monat. Ein Konzert im Vierteljahr. Alles abhängig von einer filigranen Zusammensetzung aus Tagesform, dem Wetter (!), den begleitenden Menschen, eventuell beigefügtem Alkohol und dem zu erwartenden Endorphinaustoß. Deswegen waren Konzerte immer gut. Konzerte halte ich durch, irgendwie. Ich hüpfe[2. Okay, seien wir ehrlich - ich wippe mehr so. Ich kann nicht hüpfen. Nicht springen. Nicht rennen. Nicht tanzen. Dafür bin mich gar nicht so übel im beobachten und dabei lästern. There's always an upside.] ein wenig, kann noch aus der Halle schlendern. Nach Hause schaffe ich es irgendwie. Dann wird der Fuß schon mal bandagiert, bevor ich schlafen gehe. Am nächsten Morgen erinnere ich mich dann krampfhaft daran, wie großartig der Abend war. Dass es den Schmerz Wert ist. Darum, liebe Menschen die mit mir in Zukunft interagieren wollen, seit mir nicht böse, es liegt nicht an euch. It's not you, it's me. Bin ich nebenbei eine depressive Sozialphobikerin? Ja, schon. Aber diese Angst, die in meinem Kopf, die kann ich überwinden, das tu ich gerne. Nur die Angst vor den Schmerzen, mit der kämpfe ich jeden Tag. "Dann sag halt einfach, wenn es nicht mehr geht!". Tja, wenn das so einfach wäre. Man will schließlich nicht der Spielverderber sein. Also zuckt man mit den Schultern und verabschiedet sich, bevor man erklärt, dass man das nächste angestrebte Ziel nicht mehr erreichen kann. Auf der Exkursion in Kapstadt war ich nach einem langen Tag die erste, die zurück ins Hotel wollte. Also begann ich mich im Pub von den anderen zu verabschieden. Der wissenschaftliche Mitarbeiter (der bei den Meetings dank fehlender Englisch-Kenntnisse den Mund nicht aufbekam) meinte daraufhin "Höhö, in deinem Alter hab ich aber länger durchgehalten!" In meinem Kopf tat es eine kleine Explosion. Ach ja? Hattest du in deinem Alter auch zwei Achilessehnenverlängerungen, eine Gelenkkapselöffnung, 5 frisch gestreckte Zehen und einen Titannagel als Rest einer Beinverlängerung hinter dir, IDIOT? Ich habe mit den Schultern gezuckt. Ein "Tja" gemurmelt und bin weg. So oder ähnlich ist es oft. Nicht immer. Ehrlich, ich habe so oft auch Verständnis und Zuwendung erfahren, dass es diesen Personen gegenüber allein schon unverschämt ist, nicht mehr Vertrauen in die Menschheit zu haben. Aber...nun ja. I'm not the type of girl to rely on the kindness of strangers. Die Sammlung der Erfahrungen aus dieser kleinen, kaum ernsthaften Behinderung heraus, haben mich geprägt. Dr. House, anyone? Schmerzen, der Gedanke daran, das beeinflusst die Persönlichkeit. Von Anfang an. Es gibt eine Geschichte, die meine Mutter gern erzählt. Darüber, wie ich mich mit einer Kindergärtnerin angelegt habe. Erst vor kurzem hab ich sie gefragt, was eigentlich passiert war.
Ihr habt einen Waldspaziergang gemacht und du warst eben nicht ganz so schnell. Du hattest dein eigenes Tempo, das war auch vernünftig. Weil die dumme Kuh aber nicht auf dich warten wollte, hat sie dir gesagt du sollst schneller gehen. Und sie hat dir auf die Finger gepatscht. Und du hast ihre Hand genommen und zurück gepatscht. Sie hat mich dann angerufen und wollte darüber reden, dass das so nicht geht. Ich habe ihr gesagt, dass sie sich bei dir entschuldigen muss - sonst würde ich beim Elternabend über ihren Umgang mit beeinträchtigten Kindern reden, laut. Und dir hab ich gesagt, dass du dir nie etwas gefallen lassen darfst, nur weil du nicht so schnell bist wie der Rest.
Ich bin kein fragiles Geschöpf. Dafür sind meine Oberschenkel auch zu nilpferdartig. Man sieht mir auch Schmerzen erst an, wenn es wirklich übel ist. [3. Auf Nachfragen wie "Geht's noch? Hast du Schmerzen?" antworte ich blöder Profi dann gerne mit "Ist gleich vorbei. Halb so schlimm." oder, der Klassiker "Jetzt noch, aber nicht mehr lang" (da ist es dann längst zu spät). Sollte mir für diese Gelegenheiten einen Klapp-Gehstock besorgen.]Ich gehe keinem Streit aus dem Weg, ich halte was aus. Ich gehe gar nicht immer mit Absicht auf Abstand. Ich bin nur ein wenig hinterher. Ich habe eben mein eigenes Tempo.