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Es ist so: könnte ich mir eine Traumwohnung bauen, sie bestünde zu zwei Dritteln aus Nischen. Aus Ecken und Hohlräumen unter Treppen, nutzlosen Winkeln und schwer zugänglichen halben Plätzen. Und in denen würde ich alles tun, außer essen.

Vermutlich bräuchte ich so gut wie keinen Schreibtisch mehr. Keinen Lesesessel, keine Konsolen mit Deko-Kram drauf. Ich säße, mit großen Kissen und einer Decke bewaffnet, den Laptop auf dem Schoß, in besagten Ecken und Nischen. Würde arbeiten und lesen und Musik hören und Nachdenken.

Mir ist klar, das ist nicht normal.
Das ist sogar ausgesprochen neurotisch und vermutlich sollte ich mit einem Therapeuten darüber reden. Hatte ich als Kind zu wenig die Gelegenheit mir Höhlen zu bauen? Kompensiere ich meine Angst irgendjemandem zur Last zu fallen damit, möglichst wenig Raum zu beanspruchen? Verbiege ich mich einfach gern bis mir mindestens ein Fuß einschläft?
Oder genieße ich die erschreckten Laute anderer Menschen, wenn ich unvermutet irgendwo sitze?

Ich weiß es nicht und es ist mir mittlerweile auch herzlich egal.
Im Gegenteil, ich frage mich manchmal warum andere ihre Nischen nicht mehr nutzen. Wo doch so ein abgegrenzter, leicht versteckter Raum wie ein kleines Paralleluniversum ist. Ein Ausstieg aus der großflächigen Darstellung menschlicher Elendigkeit. In meiner Ecke kann ich nichts mitbekommen, verschwinden. Auch wenn ich ganz allein bin. Dann verschwinde ich aus meinem Leben heraus in einen abgeschlossenen Bereich. In dem ist lediglich Platz für mich und meine Gedanken.

Natürlich, müsste ich tatsächlich in einer Schlafhöhle leben wie z.B. in einer japanischen Großstadt, ich würde schnell die Sehnsucht nach eigenem Raum entwickeln. Aber so wie es jetzt ist, sind diese kleinen Fluchten der ideale Platz für große Ideen und Gedanken.

Viele brauchen einen eigenen Raum, um bestimmte Dinge zu leisten. Darum sitzen Freelancer nicht am eigenen Schreibtisch sondern nerven ihre Umgebung in Kaffeehäusern.
Wer heute ein Haus oder eine Wohnung plant, versucht oft schon sehr früh jedem Zentimeter einem Nutzen zuzuordnen. Und vergisst Raum zu schaffen, der einem erst noch sagt wofür er gut ist. Klar, in Zeiten dieser Mietpreise darf man da auch nicht verschwenderisch sein. Millimetergenaue Planung ist eine Kunst, die man sich viele einiges kosten lassen. Handtuchgroße Gärten und Planquadrate beherrschen die moderne Baulandschaft.

Während ich meine Fachhochschulreife gemacht habe, lebte ich in einer großen Wohnung die früher mal eine Kürschnerei war. Ein hohes Haus mit seltsamen Ebenen, das beim Umbau in wirre Wohnungen aufgeteilt wurde. Die Folge waren die besten Ecken meines Lebens. Hinter der Wendeltreppe hinunter ins Erdgeschoss (es war auf einer Seite das Erdgeschoss, auf der anderen Seite ging man auf höhe des ersten Stocks in die Wohnung hinein) oder die L-förmige Nische vorne im Wohnzimmer.
Die quietschenden Geräusche meiner Mitbewohnerinnen wenn ich wieder mal unerwartet irgendwo auftauchte, fand ich großartig.

Wenn ich heute neuen Wohnraum beziehe (11 Umzüge and counting), dann orientiere ich mich an zwei Dingen: Am Licht (warum stellen so viele Leute ausgerechnet ihren Fernseher an die Wand mit dem besten Tageslicht..?) und an den Ecken.
Das führt im Gegenzug zu oft großen freien Flächen.

Und wissen sie was? Freie Flächen auf denen gar nichts steht, sind fast so großartig wie Nischen. Weil manchmal, da braucht man einfach nur Platz. Um etwas auszubreiten. Oder sich selbst auszubreiten.
Wichtig ist, dass nicht alles gleichförmig ist. Der eigene Geist muss sich winden und bewegen können, wie Wind der durch Ritzen zieht.

Womöglich ist meine Vorliebe für seltsame Raumkonstrukte die Sehnsucht nach dem Verlassen des festen Aggregatszustandes. Einfach mal nicht so tun als wäre man eine abnorme Ansammlung von Kohlenstoff. Aber gut, je weiter ich diesen Gedanken treibe, desto mehr haben die Hobbyanalytiker der digitalen Welt zu tun. An dieser Stelle muss auch mal Schluß sein. Schließlich sind Nischen auf die Plätze in denen wir Geheimnisse verwahren.

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